McKinsey lässt die Sau raus

Die Unternehmensberater von McKinsey feierten in Berlin mit 4.500 Gästen Geburtstag. Nicht eingeladen waren linke Demonstranten und Hartz-Gegner. Sie sind trotzdem hingegangen

VON M. DOLDERER
, P. GESSLER
UND F. WADEWITZ

Gegen halb drei treffen Busse mit den ersten Gästen am Brandenburger Tor ein. Gut gekleidete, vorwiegend jüngere Leute bevölkern langsam den Pariser Platz. Leichter Nieselregen setzt ein, doch die Organisation ist darauf vorbreitet: Alle Gäste werden mit einem weißen Regenschirm bestückt. Man steht rum, macht Smalltalk. Was jetzt passieren wird, weiß keiner so genau. „Diese Firma ist eben unberechenbar“, meint ein Mitarbeiter. 4.500 Gäste erwartet McKinsey an diesem Abend zur Geburtstagsfeier, die in 16 Gebäuden entlang dem Boulevard Unter den Linden stattfinden soll. Die Polizei schützt die Veranstaltungen mit 500 Beamten. 120 zusätzliche Sicherheitskräfte bringt McKinsey mit, um die Gäste in der Alten Nationalgalerie, dem Pergamonmuseum und dem Palast der Republik vor den Demonstranten abzuschirmen.

Am Brandenburger Tor war jedoch nur ein einziger Demonstrant zu sehen: ein 55-jähriger Langzeitarbeitsloser. An seinem Fahrrad hing ein Schild mit dem Satz „Montagsdemos braucht das Land“. Etwas mehr Protest gab es an der Staatsoper. Dort protestierte ein Bündnis aus „Act.“, „Berlin Umsonst“, „Offener Ziviler Ungehorsam“ und Attac. Die etwa 50 Teilnehmer trugen Attac-Fahnen und Anti-Neoliberalismus-Plakate, gaben den zahlreich erschienen Journalisten Interviews, warteten auf den Lautsprecherwagen und standen ansonsten ziemlich im Regen.

„McKinsey ist ein Komplize der Regierung, was Hartz IV angeht“, sagte FU-Politikprofessor Peter Grottian der taz. Deshalb richteten sich die Proteste gegen das „völlig maßstab- und augenmaßlose Fest“. „Der ganze Palast der Republik ist eingezäunt, der Dom verrammelt, selbst die Humboldt-Uni macht schon dicht“, empörte sich Else Tonke von Attac. Die Rentnerin findet es „unerhört“, dass McKinsey das „Stadtzentrum stillgelegt hat“.

Auf dem Pariser Platz steht derweil ein schwarzer Ledersessel auf einem sechs Meter hohen Turm. Darauf sitzt ein Mann im Anzug mit fahl-grauer Gesichtsfarbe. Man könnte meinen, dass sich Mc Kinsey hier auf ironische Art selbst porträtiert habe – der überarbeitete Mitarbeiter. Doch in Wahrheit handelt es sich um einen Teil der Großplastik „Reflecity“, die sich vom Brandenburger Tor bis zum Schlossplatz erstreckt. Ein Geschenk von McKinsey an die Stadt. Dass die gestrige Feier manchen als Provokation erscheinen musste, kann McKinsey-Sprecher Rolf Antrecht verstehen. Doch das Fest sei vor zwei Jahren geplant worden, da war die heutige Situation schließlich nicht absehbar.

Eine Störung des McKinsey-Galadiners im Roten Rathaus planten die Demonstranten für den Abend. Nach dem Sturm auf das Buffet sollte der vor dem Abriss stehende Palast der Republik besetzt, zumindest aber die Zufahrt blockiert werden. Dort wollten die McKinsey-Mitarbeiter die Nacht durchtanzen, nachdem sie am Abend die Wahl zwischen einem Ute-Lemper-Auftritt im Konzerthaus am Gendarmenmarkt und dem Bolschoi-Ballett im Kuppelsaal der russischen Botschaft hatten.

Und dann gibt es auch noch die vom McKinsey organisierten Orgel- und Cellistenkonzerte im Dom. Domprediger Friedrich-Wilhelm Hünerbein, der zuständige Geistliche, betont, dass die Gemeinde schon einigen Organisationen die Möglichkeit gegeben habe, das Gotteshaus zu nutzen. „Ich passe auf, dass keine Werbereden gehalten werden. Und das werden sie auch nicht.“ Und auch der Bischof und EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber werde keinesfalls eine Rede halten – wenn er überhaupt komme. Es sollen lediglich ein paar Grußworte sein. Auch gegen Huber wurde Protest angekündigt.