Linkspartei-Gründer warten auf Anruf

Lafontaine darf vorerst SPD-Mitglied bleiben – obwohl er mit einer neuen Linkspartei liebäugelt. Spitzengenossen üben sich in Gelassenheit: Man dürfe die Bedeutung des Exvorsitzenden nicht überschätzen. Gründer der neuen Partei sind auch skeptisch

AUS BERLIN JÜRGEN VOGES

„Bei uns hat Oskar Lafontaine noch nicht angerufen“, sagte gestern der saarländische Koordinator der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“. Der Aufbau der neuen Linkspartei wird in Lafontaines Heimat vom Violinisten Markus Lein koordiniert; er verfolgt das Liebäugeln des einstigen SPD-Chefs mit dem Parteiprojekt „mit großem Interesse“. Gegenüber der taz betonte er: „Wir brauchen jede helfende Hand und vor allem engagierte Menschen mit politischer Erfahrung.“

Lein stellte aber auch klar, dass der prominente Noch-Sozialdemokrat einen Parteiwechsel bislang „nur angedeutet hat“. Obwohl ein Zugpferd der Parteigründung Schwung verleihen würde, will der 38-jährige Musiker auch dem einstigen saarländischen Ministerpräsidenten und Bundesminister keinesfalls eine Extrawurst braten. „Als Mitglied kann er sich wie jeder andere auch um Ämter bewerben, er muss aber gewählt werden.“ Bisher seien die Strukturen der Wahlalternative durch aktive Menschen ohne bekannte Namen aufgebaut worden. Da werde nun „nicht einfach ein Prominenter von oben aufgepfropft“.

Mit demonstrativer Gelassenheit beantwortete gestern die SPD die Drohung ihres Exvorsitzenden, einer neuen Linkspartei 2006 beim Sprung über die 5-Prozent-Hürde zu helfen, falls die SPD beim Schröder-Kurs bleibt. Lafontaine habe keine öffentliche Resonanz mehr, stellte SPD-Chef Müntefering fest. Er ist gegen ein Ausschlussverfahren. Generalsekretär Klaus Uwe Benneter bezeichnete den Saarländer als „eitel und selbstgefällig“ und verwies auf die Parteisatzung: „Wer gegnerische Organisationen stark macht, kann das nicht in der SPD tun.“ Gegenwärtig gebe es aber noch keinen Anlass, Lafontaines Verhalten zu sanktionieren. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hingegen forderte den ehemaligen Parteichef auf, von sich aus die SPD zu verlassen.

Andere SPD-Politiker wie der niedersächsische Landeschef Wolfgang Jüttner verlangten, Lafontaines Äußerungen nicht überzubewerten. „Wir müssen ihm die Bedeutung zumessen, die er hat – nämlich keine“, sagte Jüttner auf Anfrage. Man solle den einstigen SPD-Vorsitzenden nicht durch ein Ausschlussverfahren zum Märtyrer machen. Wenn er allerdings tatsächlich für eine andere Partei antrete oder in sie eintrete, sei das unvereinbar mit einer weiteren SPD-Mitgliedschaft. Für den niedersächsischen SPD-Landesvorsitzenden ist Lafontaine „einfach ein Spieler“.

Richtig sauer sind allerdings die ehemaligen Anhänger von Lafontaine. Der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD, Michael Müller, beschwor den früheren Parteichef, „verdammt noch mal“ endlich zu sagen, „was er will“. Dagegen übte sich der Bundeskanzler in Zurückhaltung und ließ mitteilen, nicht jede öffentliche Äußerung sei eines Kommentars von Gerhard Schröder würdig.

Die Initiatoren des SPD-internen Kettenbriefs, die den Rücktritt des Kanzlers verlangen, freuten sich zwar über die Unterstützung, die ihnen Lafontaine bei der Forderung nach dem Kanzlersturz zukommen ließ. Die Gründung einer neuen Linkspartei lehnen die Initiatoren der Briefaktion aber weiter ab, die der Gewerkschaft Ver.di angehören. Damit liegen sie ganz auf der offiziellen Linie von IG Metall und Ver.di. Beide Gewerkschaften bekräftigten gestern, dass man innerhalb der SPD oder auch der Grünen für eine andere und bessere Politik kämpfen müsse. Eine Parteigründung sei der falsche Weg. „Die Gründung einer neuen Partei ist nicht Sache einer Einheitsgewerkschaft“, betonte Ver.di-Sprecher Harald Reutter. Ihn verwundert es aber nicht, dass sich in dem Raum etwas tue, den die SPD auf der Linken lasse.