Auf Kurs zurück nach Afrika

Ein Verfassungsurteil verhinderte bis gestern die rasche Abschiebung der Flüchtlinge

Rom taz ■ 14 mit der „Cap Anamur“ nach Sizilien gekommenen Flüchtlingen droht die Abschiebung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Wie die taz aus sicherer Quelle erfuhr, wurde gestern im italienischen Innenministerium erwogen, die Afrikaner noch vor Mitternacht auszufliegen. Hintergrund ist das Urteil des Verfassungsgerichts von vergangener Woche, das erst heute im Amtsblatt veröffentlicht wird und damit in Kraft tritt. Dieses Urteil untersagt der Regierung, Abschiebungen ohne vorherige richterliche Anhörung durchzuführen. Eine solche Anhörung gab es bisher nicht.

Inzwischen hat der italienische Flüchtlingsrat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Widerspruch gegen das von der italienischen Regierung im Fall der 37 „Cap Anamur“-Flüchtlinge durchgezogene Asylverfahren eingelegt. Christopher Hein, Direktor des Flüchtlingsrats, erklärte, der Widerspruch stütze sich auf Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Bootsflüchtlingen. Über Tage sei ihnen Rechtsbeistand versagt worden, während sie abgeschottet von der Außenwelt im Abschiebelager saßen.

Parallel dazu legten zwei römische Rechtsanwälte Widerspruch gegen die Ablehnung des Asylgesuchs von 14 Afrikanern ein, die nun als Abschiebekandidaten in einem Lager bei Rom einsitzen. 23 weitere „Cap Anamur“-Passagiere dagegen dürfen auf eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen hoffen; dies jedenfalls ist die Empfehlung der Asylkommission.

In Italien hat ein Solidaritätswettlauf zahlreicher Städte begonnen, die sich um die Aufnahme der Flüchtlinge bemühen. Rom, Bologna, Venedig, Padua, aber auch zahlreiche kleine Kommunen vor allem in Sizilien haben den Afrikanern Bleibe und Betreuung angeboten, wenn sie erst einmal auf freiem Fuß sind.

Schon dies zeigt, dass für die italienische Öffentlichkeit die in Deutschland heiß diskutierten Umstände der Rettungsaktion der „Cap Anamur“ zweitrangig sind. Christopher Hein sagte der taz, er habe „bisher keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass es eine echte Seenotsituation war“. Weiterhin stützt sich das Verfahren gegen Bierdel und Co. wegen Schleuserei auf andere Anwürfe.

MICHAEL BRAUN