KLIMASCHUTZ: EINE SELBSTVERPFLICHTUNG DER INDUSTRIE KLAPPT NICHT
: Regierung schläft, BDI ist wach

Man mag es nicht mehr hören: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat mal wieder ein Gutachten verfassen lassen, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Ergebnis: Die Bundesregierung verschläft die Umsetzung einer wichtigen EU-Richtlinie zum Emissionshandel. Es ist die alte Leier: Der BDI wettert gegen Trittin und Co, und überhaupt: Klimaschutz funktioniert am besten mit einer Selbstverpflichtung der Industrie.

Beim Bau von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, den Verbändevereinbarungen zum liberalisierten Strommarkt oder dem Hickhack ums Dosenpfand ist die Industrie der Selbstverpflichtung nicht nachgekommen. Warum sollte sie es diesmal tun?

Zuhören sollte man dem BDI aber doch. Denn mit seiner Kritik an der rot-grünen Regierung hat er teilweise Recht. Die EU-Richtlinie verpflichtet Deutschland, in acht Monaten ein Gesetz vorzulegen, das Grundlage des Zertifikatshandels ist. Selbst bei einem zügigen Gesetzgebungsverfahren müsste spätestens in vier Monaten ein Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht werden. Doch fast alle wichtigen Fragen sind noch unklar: Die EU sagt etwa, jede Verbrennungsanlage müsse eigene Zertifikate handeln. Nach dem deutschen Bundesemissionsschutzgesetz aber zählen die fünf Verbrennungsöfen eines Kraftwerkes als eine Anlage. Und woher soll ein Neuanlagenbauer seine Zertifikate bekommen? Sollen energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie in den Handel einbezogen werden? Diese ungeklärten Fragen zeigen, wie weit die Arbeiten am Gesetzestext offenbar sind – in den Anfängen.

Klar ist: Der Zertifikatshandel wird tief ins Wirtschaftsleben einschneiden, gerade weil sich die Politik nicht auf Bekundungen zur Selbstverpflichtung einlassen darf. Doch wenn sie die Industrie reguliert, muss sie ihr wenigstens Planungssicherheit gewährleisten. Allerdings ist das Dilemma in Berlin nicht hausgemacht. Die EU selbst nämlich muss sich vorwerfen lassen, dass sie ihre Richtlinie zu spät, zu unpräzise auf den Weg brachte. Gesetz ist sie noch nicht einmal: Verabschiedet werden soll sie erst im September. NICK REIMER