Musterknabe mit Schattenseiten

Kein Ranking, in der das High-Tech-Land Finnland nicht auf den ersten Plätzen landet. Ein Spitzenreiter ist Finnland allerdings auch bei der hohen Arbeitslosenrate

HELSINKI taz ■ Wieder erobert der Musterknabe Finnland Spitzenplätze in verschiedenen Rankings. Vom „World Economic Forum“ wurde der europäische Randstaat auf Rang eins bei der Anwendung von Informationstechnologie platziert. Der „ewige“ Spitzenreiter USA wurde von dem Winzling aus dem Norden auf den zweiten Platz verbannt. Außerdem reihte die EU-Kommission Finnland und andere skandinavische Länder in eine eigene Liga der konkurrenzstärksten Mitgliedsländer ein.

Der Soziologe Pekka Himanen spricht bereits von einem „finnischen Modell“: „Es zeichnet sich dadurch aus, der der Staat die Basis für wirtschaftliches Wachstum und die Entwicklung global erfolgreicher Technologie schafft, gleichzeitig aber ein Wohlfahrtsstaat mit einem sehr hohen Grad an sozialer Gleichheit ist.“

Das heißt: Investoren sollen mit ihrem Kapital gutes Geld verdienen können. Der Staat langt dafür bei den Steuern zu, um den im internationalen Vergleich aktiv eingreifenden Sozialstaat zu finanzieren.

Doch dieses Modell hat eine Schattenseite. Mit seiner hohen Arbeitslosenrate von 9,8 Prozent kann sich Finnland nicht nur mit Deutschland messen, sondern liegt innerhalb der EU trotz konjunkturellem Volldampf sogar auf dem wenig ruhmreichen zweiten Platz hinter Spanien. Dabei hatte die seit Frühjahr im Amt befindliche Mitte-links-Koalition 100.000 neue Arbeitsplätze versprochen. Jeder dritte Arbeitslose könnte demnach einen neuen Job bekommen.

So sollen 25.000 bis 30.000 Arbeitsplätze nun offenbar durch zusätzlichen Konsum entstehen. Der sozialdemokratische Finanzminister Antti Kalliomäki kündigte eine pauschale Senkung der Einkommensteuer von einem Prozentpunkt an. Eine weitere Steuersenkung stellte er für nächstes Jahr in Aussicht. Auch eine Erhöhung des Kindergeldes zielt in diese Richtung. Wo aber der große Rest neuer Arbeitsplätze herkommen soll, bleibt weiterhin unklar.

Der von der Regierung auf einen neuen Posten als „Programmdirektor für die Beschäftigungspolitik“ berufene Harri Skog hat in einem ersten Bericht die Arbeitsmarktpolitik der letzten zehn Jahre als ineffektiv abgeurteilt. Skog fordert nun, dass der Staat vor allem etwas für die Langzeitarbeitslosen unternehmen müsse, zu denen etwa drei Viertel der Joblosen gehören.

Außerdem hat die Regierung auch eine Senkung der bislang hohen Alkohol- und Tabaksteuer um satte 33 Prozent ankündigt. Mit der Stimulierung des Konsums für mehr Arbeit hat das in erster Linie nichts zu tun, sondern mit der Anpassung der Preise an die künftigen EU-Staaten im Baltikum. In Scharen fahren die Finnen mit dem Schiff in das nahe Estland, um sich dort billig mit Alkohol und Zigaretten einzudecken. REINHARD WOLFF