Ein eigenes Haus soll Straffälligkeit verhindern helfen

Vertreter der Stadt Köln unterstreichen anlässlich der bevorstehenden Eröffnung von „Amaro Kher“ die Dringlichkeit des Betreuungsangebots für Roma-Kinder. Grüne begrüßen das Roma-Zentrum als Teil eines Konzepts, mit dem ein wenig Normalität in das Leben von Flüchtlingen einkehren soll

Köln taz ■ „Vielleicht sind die Leute übersättigt vom vielen Fußballgucken“, mutmaßte Susanne Kremer-Buttkereit, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle der Kölner Grünen. Mag sein. Jedenfalls kamen am Freitag Abend nicht einmal dreißig Menschen in den Stadtgarten, um sich von den Grünen über „Betreuungsangebote für Flüchtlingskinder“ informieren zu lassen.

Konkret ging es um das neue Romazentrum „Amaro Kher“ (Unser Haus), das in einigen Wochen im Venloer Wall eröffnet werden soll. „Wir wollen dort nicht nur eine kleine Schule, sondern auch ein kleines Kulturzentrum aufbauen“, erklärte Renate Graffmann, Vorsitzende des Trägervereins Rom e.V. Dabei sei vor allem wichtig, „dass die Kinder sich dort wohl fühlen und gerne kommen“. Schließlich hätten es die meisten „zuhause sehr schwer“, viele Eltern seien krank wegen der schlechten Lebensverhältnisse. Die meisten Roma Kölns lebten „unterhalb der Armutsgrenze, werden nicht als gleichberechtigt wahrgenommen und von allen Flüchtlingsgruppen am meisten diskriminiert“, sagte Graffmann.

Angesichts dessen warnte Sabine Ernst den Rom e.V. allerdings vor allzu großen Erwartungen an Amaro Kher. Die Kölner Roma-Kinder seien „seit 10 Jahren unbetreut“, eine rasche Integration sei da nicht zu erwarten. Ernst ist Leiterin des Frankfurter Projekts „Schaworalle“, das seit 1996 mit Roma-Kindern arbeitet. „Das ist ein Weg, den man nicht von heute auf morgen geht.“ So müsse erst langsam Vertrauen aufgebaut werden, die meisten Roma-Familien „sind misstrauisch sogar gegen wohlmeinende Hilfe“. Aber trotzdem habe das Frankfurter Projekt mit der Zeit erreicht, dass die Straffälligkeit unter Roma-Kindern „klar zurückgegangen ist“, versicherte Ernst.

Auf diesen Punkt kamen vor allem der Moderator des Abends, der Leiter des Landesjugendamts, Dieter Göbel, und der Kölner Jugenddezernent Franz-Josef Schulte, immer wieder zu sprechen. Dabei betonte Schulte, dass Amaro Kher nur ein Teil des Konzepts sei, mit dem die Stadtverwaltung Straffälligkeit unter Flüchtlingskindern verringern wolle. „Wenn es nicht anders geht, kommen wir mit dem obrigkeitlichen Staat und drohen mit dem Entzug des Sorgerechts.“

Mit diesem repressiven Part des so genannten „Stufenkonzepts“ hätten die Grünen auch gar keine Probleme, erwiderte die jugendpolitische Sprecherin der Partei, Gaby Schlitt. Auch sie wäre dafür, dass extrem „auffällige“ Kinder unter Umständen ihren Eltern entzogen und in Jugendeinrichtungen „intensiv betreut“ würden. Wogegen sich ihre Partei aber immer gewehrt habe, sei die Forderung nach „geschlossenen Heimen“ speziell für so genannte „Klau-Kids“.

Doch statt solcher populistischen Forderungen würden jetzt in Köln endlich „vernünftige Lösungen“ diskutiert, befand der sozialpolitische Grünen-Sprecher Ossi Helling. Dies sei lange nicht möglich gewesen, weil Köln nur noch als „Hauptstadt der Taschendiebe und Hauptstadt der illegalen Einwanderung“ wahrgenommen worden sei, was bei vielen Politikern und Bürgern reflexartige Rufe nach „Abschottung und Abschiebung“ hervorgerufen habe. Inzwischen aber „hat auch die CDU eingesehen, dass eine Normalisierung des Lebens von Flüchtlingen nicht nur menschenwürdiger ist, sondern auch kostengünstiger für die Stadt“, sagte Helling.

Zu dieser Normalisierung zähle neben Amaro Kher auch das neue Unterbringungskonzept des Runden Tisches, das vorsehe, Flüchtlinge aus den Heimen in Wohnungen zu bringen. Außerdem, forderte Helling, müssten lange hier lebende Flüchtlinge eine Aufenthaltsbefugnis bekommen, „damit wir sie auch in Arbeit bringen können“.

Dieser Ausblick auf die Kölner Flüchtlingspolitik, wie sie sich die Grünen für die Zukunft ausmalen, interessierte einen Teil des Publikums allerdings weniger. So kreiste die Debatte am Schluss der Veranstaltung nur um eine Frage, die ein sichtlich aufgeregter, „betroffener Vater“ an das Podium stellte: Wie „das Problem“ gesehen werde, dass direkt neben dem neuen Romazentrum im Venloer Wall eine Kindertagesstätte ihr Grundstück habe? „Dieses Problem“ sei allen bekannt, versicherten die Diskutanten einhellig. Aber, versuchte Kölns Jugenddezernent Schulte die Eltern zu beruhigen: „Die objektive Gefährdungslage ist sicher geringer als die subjektiv empfundene.“

Susanne Gannott