Klar ist bei VW do Brasil gar nichts

Die Pläne der Volkswagenleitung, in Brasilien 4.000 Stellen zu streichen, sorgen vor Ort für Konfusion – schließlich gibt es eine Arbeitsplatzgarantie bis zum Jahr 2006

„Volkswagen will nur politischen Druck ausüben“ (Gewerkschafter Luiz Marinho)

PORTO ALEGRE taz ■ Verwirrung bei der brasilianischen Tochter des Autokonzerns Volkswagen, VW do Brasil: Bereits bevor der Topmanager Paul Fleming am Montag verkündete, man müsse sich in den kommenden Jahren von 4.000 Mitarbeitern zweier Fabriken trennen, war die Nachricht über internationale Agenturen in die brasilianischen Medien gelangt. „Völlig überraschend“ sei diese Ankündigung gekommen, sagt José Lopez Feijóo, Chef der Metallgewerkschaft der Abc-Region im Süden São Paulos. Arbeitsminister Jacques Wagner will von den Entlassungsplänen erst aus der Zeitung erfahren haben, obwohl VW-Personalchef Peter Hartz am Freitag dem Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva die Strategie der Konzernzentrale für Brasilien erläutert hatte.

Nach dem Vorbild der „Wolfsburg AG“, mit der in Niedersachsen neue Arbeitsplätze rund um den Autosektor geschaffen werden, will VW do Brasil 90 Millionen Euro in das Projekt „Autovisão“ stecken. Demnach sollen die überzähligen 3.933 VW-Arbeiter in Werkstätten, modernen Recylingbetrieben oder einem Automuseum unterkommen – oder in eines der drei anderen Werke wechseln, in denen allerdings das Lohnnvieau deutlich niedriger ist.

„Sollte die Firma solche Umschichtungen erzwingen wollen, kommt es zur Konfrontation“, sagte Gewerkschaftsboss Feijóo der taz. Er beruft sich auf ein Abkommen, das die Gewerkschaft Ende 2001 nach einwöchigem Streik und unter Beteiligung von Peter Hartz ausgehandelt hatte. Demnach sind die Arbeitsplätze bis Ende 2006 im traditionellen Anchieta-Werk in São Bernardo do Campo garantiert. Im Gegenzug hatten die Arbeiter Flexibilisierungsmaßnahmen akzeptiert – von der Reduzierung der Arbeitszeit bei 15-prozentigem Lohnverzicht bis hin zur Vier-Tage-Woche oder Kollektivurlaub in Krisenzeiten.

Krisengeschüttelt ist die brasilianische Autobranche in der Tat: Im Mai wurden 10,8 Prozent weniger Neuwagen zugelassen als noch vor Jahresfrist. Die VW-Werke, in denen pro Tag 3.000 Autos produziert werden können, sind derzeit nur zu 64 Prozent ausgelastet. Auch die Konkurrenten Fiat und General Motors haben Kurzarbeit verordnet und drohen mit Entlassungen.

In der Regierung wird daher schon seit Wochen über Steuererleichterungen nachgedacht, um über Preissenkungen die Nachfrage zu stimulieren. Doch solche Maßnahmen sind angesichts leerer Haushaltskassen umstritten. VW wolle nun offenbar „politischen Druck“ ausüben, meint Feijóos Vorgänger Luiz Marinho, der jetzt dem Gewerkschaftsdachverband CUT vorsteht.

Feijóo verweist zudem darauf, dass in São Bernardo do Campo ab 2005 jährlich 170.000 Pkws vom Typ Tupi Europa für den Export produziert werden sollen. Spätestens dann gebe es keine Überkapazitäten mehr. Durch die Verquickung des Autovisão-Projekts mit dem Stellenabbau hätten die VW-Manager eine „bedauerliche Konfusion“ gestiftet.

Der 50-jährige Jesu Florêncio Dias, der Gangschaltungen montiert und nach 14 Jahren Betriebszugehörigkeit knapp 500 Euro verdient, befürchtet wegen des Abkommens von 2001 keine Massenentlassungen. Seine Vermutung: „Das ist Taktik, damit wir keine Lohnerhöhungen fordern.“ GERHARD DILGER