POPKOMM: BERLIN IST WIRTSCHAFTS- UND KULTURFREUNDLICH ZUGLEICH
: Ökonomie der Lobby-Arbeit

Für Dieter Gorny heißt es, in Köln seine Koffer zu packen. Der Viva-Chef und Erfinder der Popkomm wird mit der größten deutschen Musikmesse nach Berlin übersiedeln. Die Musikbranche ist in einer schweren ökonomischen Krise, da macht der Wechsel vom Rhein an die Spree, ins Fahrwasser der Hauptstadt also, zumindest Hoffnung.

Aber ist der Glaube an ein weiteres Mitte-Wunder begründet? Kann, soll und darf Kultur immer weiter nach Berlin abwandern, weil dort offenbar noch Chancen auf ein bisschen Prestigewinn oder die Möglichkeit zum Andocken an Fördertöpfe bestehen? Wird der Rest von Deutschland zur kulturellen Wüste, wenn der Run auf Berlin anhält?

Das Problem haben sich andere große Kulturstandorte größtenteils selbst eingebrockt. So hat Frankfurt am Main mit einem unverhältnismäßigen Sparprogramm Theater geschlossen und den Starchoreografen William Forsythe vertrieben, ohne auf die Konsequenzen zu achten. In Köln werden unter einer schwarz-grünen Stadtregierung Kunsthallen abgerissen, wohl wissend, dass man mit solchen Entscheidungen der über lange Jahre gewachsenen Kunstszene vor Ort das Wasser abgräbt. Für kulturelle Belange ist eine inkompetente Verwaltung ebenso schlimm wie Misswirtschaft.

Von beiden Fehlern scheint man in Berlin gelernt zu haben. Der Umzug des Hamburger Medienunternehmens Universal und die Umorientierung des Musiksenders MTV, der sich Anfang 2004 in Berlin niederlassen wird, zeigen, dass der Standort sich bewährt, wenn die Stadt genügend Lobbyarbeit investiert. So hat sie sich bei aller Mäkelei nie von der Love Parade getrennt, weil das Spektakel eben immer noch ein prima Aushängeschild ist – und Pop braucht ein internationales Image.

Darüber hinaus hat sich gerade die Berliner Kulturpolitik nicht vom Kürzungswahnsinn anstecken lassen, sondern ist nun etwa dabei, mit Kulturstaatsministerin Christina Weiss die Opernhäuser zu retten. Insgesamt bewährt sich in Berlin ein Modell, das Kultur nicht bloß als ungeliebtes Draufzahlobjekt versteht, sondern auch als Branche, in der ordentlich Geld verdient werden kann. So viel Zukunftswille muss sein, nicht bloß für die Popkomm. HARALD FRICKE