„Nicht mit Deutschen zusammen“

Der „Tag der Türken“ pflegt ein ganz besonderes Integrationsverständnis. Türkische Nationalisten dominieren das Geschehen – und der Botschafter der Türkei ist Schirmherr

BERLIN taz ■ Die türkische Tageszeitung Hürriyet titelte vor drei Tagen: „Saboteure des Tages der Türken!“ Damit ergriff das Massenblatt Partei in einem Streit in der türkischen Gemeinde in Deutschland, der sich jährlich wiederholt. Auch dieses Jahr werden in Berlin mehrere zehntausende Türken aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet – zum „Tag der Türken“.

Die seit 2002 stattfindende Veranstaltung ist verdächtig. Zwar können die Organisatoren die Ziele des jährlichen Marsches mit einem Abschlussfest nicht oft genug betonen. „Wir wollen zeigen, dass die Türken in Deutschland integriert sind und in Frieden mit den Deutschen leben möchten“, sagt Tacittin Yatkin, Vorsitzender der konservativen Türkischen Gemeinde in Berlin. Dieses Jahr ist ja auch das Motto der Veranstaltung: „Wir sind Europäer“ – wahrscheinlich, um der Skepsis der deutschen Bevölkerung gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei entgegenzuwirken. Doch die Erfahrungen zeigen ein anderes Bild. Ultranationalistische Graue Wölfe dominieren bisher das Geschehen. Sie wollen es auch weiterhin tun, da sie diesen Tag als eine Art Demonstration der Stärke der Türken und deren „unteilbarer Einheit“ verstehen.

Tacittin Yatkin versucht, diesen Eindruck zu verhindern. „Wir haben jedem die Möglichkeit gegeben, bei der Organisation mitzumachen. Wir wollen keine nationalistische oder chauvinistische Veranstaltung“, so Yatkin.

Aber die Verlautbarungen der Veranstalter in der Öffentlichkeit sind doppelzüngig. Was in türkischen Erklärungen „Tag der Türken“ genannt wird, heißt in Presserklärungen auf Deutsch ganz moderat: „Türkisch-Europäisches Kulturfest“. Gegen die Menschen aus der Türkei, die ihre kurdische Herkunft gerne betonen, sind die Veranstalter auch nicht gerade tolerant. Als ein kurdischstämmiger Anrufer während einer Radiosendung erklärt, dass diese Veranstaltung ihn nicht anspricht, weil sie den Kurden gegenüber nicht offen sei, kontert Yatkin mit klarer Ablehnung: „Wir wollen ja auch nicht mit denjenigen zusammen sein, die die Türkei spalten wollen. Sie sollen nicht kommen!“ Ein weiterer Zuhörer der Sendung geht einen Schritt weiter: „Ich möchte an diesem Tag auch gar nicht mit den Deutschen zusammen sein“, sagt er.

Das spaltet die türkische Gemeinde in Deutschland erst recht. Das Dachverband der Aleviten verkündete bereits sein Fernbleiben. Wahrscheinlich wird sich auch kaum ein türkischer Sozialdemokrat heute zum Brandenburger Tor verirren. Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg kritisiert den Türkenmarsch vor allem wegen der Form. „In Deutschland werden Demonstrationszüge traditionell als Protestmärsche verstanden“, heißt es in einer Erklärung der Organisation. Deshalb befürworten die Verfasser von vornherein ein Fest mit internationalem Charakter unter Einbindung deutscher Institutionen.

Yatkin und seine Mitstreiter scheinen dieser Position jedes Jahr näher zu kommen. Dieses Jahr wird der Marsch am Anfang knapp gehalten. Dafür ist das Kulturangebot am Ende reichhaltiger und vielfältiger.

Aufgewertet wird die Veranstaltung aus dem Ausland: Der türkische Botschafter ist Schirmherr – und das Staatsfernsehen überträgt das Fest drei Stunden lang live. CEM SEY