ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL
: Eine kurze Geschichte der Zeit

In Südafrika verlieh ich meinen Mietwagen. Jugendlicher Übermut. Eine Hamburger Wochenzeitung sah das anders

Frauen und Autos verleiht man nicht.

Deutsche Volksweisheit

Das ist die Geschichte, wie ich einmal nach Afrika reiste, dort einen Wagen mietete, diesen an einen Aktienexperten verlieh und schließlich in die größte deutsche Wochenzeitung kam.

Ayrton Senna war aus purem Zufall mein Mitbewohner für einen Monat geworden. Ayrton Senna ist selbstverständlich nicht sein richtiger Name, sondern ein Pseudonym, passend zum Charakter von Markus Pfeil. Wir hatten beide ein Journalistenstipendium in Johannesburg gewonnen. Am Anfang war ich skeptisch, denn Senna ist ein Wirtschaftsjournalist mit dem Fachgebiet Aktien. Solche Kollegen neigen manchmal dazu, die Lehre des freien Marktes auch jenseits ihrer Arbeit zu vertreten und daher langweilige Gesprächspartner zu sein. Nicht so Senna: Seine Reportagen wären Schmuck für jedes Blatt. Wenn ihn in einer Bar eine Frau fragt, woher er seine lange Narbe am Hals habe, erzählt er eine Geschichte, in der ein australisches Krokodil auftritt. Mit so einem teilt man gerne das Zimmer für ein paar Wochen. Und warum nicht auch den Wagen.

Denke ich. Bis Kollege Senna auf unserem Rückweg vom Frauenfußballländerspiel Nigeria gegen Südafrika unser Auto mitten in der Nacht mitten im Regen mitten in Downtown Johannesburg mitten auf eine Verkehrsinsel setzt. Das rechte Rad steht sehr schräg. Aber diese dunkle Ecke ist nicht der Ort, eine Recherche zur Effizienz der südafrikanischen Partnerorganisation des ADAC zu beginnen. Mit weicher Lenkung und 25 km/h schaffen wir es nach Hause und am nächsten Tag zum Mietwagenverleih.

Eine Woche später fährt Senna im frisch reparierten Mietwagen in einen Nationalpark, um Tiere zu beobachten. Er kommt zurück mit eingedrücktem Kofferraum. Nicht seine Schuld: Urplötzlich habe sich ein wütender Bulle aus einer bis dahin völlig friedlichen Elefantenherde gelöst und ihn angegriffen. Um sein Leben zu retten – und das auf der Liste der bedrohten Tierarten sehr weit oben verzeichnete Geschöpf – habe er nur noch den Rückwärtsgang „reinhauen“ können. Dummerweise stand hinter ihm ein Jeep mit einem Bullengeweih vor dem Kühler. Senna ist selbst erstaunt, dass sowohl ich als auch der Mietwagen-Mann ihm die Geschichte abnehmen.

Nach weiteren Vorfällen in den Grenzbereichen der Straßenverkehrsordnung trennen sich unsere Wege. Was soll ich klagen? Ich lebe. Sollte ich eine abschließende Beurteilung der Fahrkünste von Senna abgeben, würde ich wohl so formulieren: Er scheut kein Risiko. Sicheren Quellen zufolge hat der Kollege bei Recherchen in Kapstadt noch einen alten VW Käfer vom Leben zum Schrottplatz befördert.

Vollblutjournalist, wie er ist, sieht er auch in Missgeschick und Tragik die Story: „Die Geschichte ist super. Lass sie uns an die Zeit verkaufen“, meinte Senna. Die Zeit? Dieses Bollwerk gegen jugendlichen Übermut? Diese Institution, die jeden Donnerstag verkündet, was falsch läuft in Deutschland? Das Blatt, in dem Helmut Schmidt persönlich alle Witze rausredigiert? Senna ist optimistisch: „Doch. Doch. Für den Reiseteil der Zeit: ‚Die super toleranten Autovermietungen in Südafrika.‘“ Da ein Teil seiner Unfälle in einem auf meiner Kreditkarte gemieteten Wagen passierte, will er mich billigerweise als Mitautor.

Leider schätzt es die taz-Kapitänin gar nicht, wenn ihre Galeerensklaven fremdsegeln. Auspeitschen mit der neunschwänzigen Katze, Kielholen und nackt an der zackigen Küste der Arbeitslosigkeit angespült werden droht dem, der ohne Pseudonym in fremden Blättern erwischt wird. Also schreibt Senna doch besser allein. Und berichtet:

– „Alles klar. Die mochten den Text. Nur haben sie etwas gegen die Ich-Perspektive.“

– „Hast du’s geändert?“, frage ich.

– „Ja“, sagt er treuherzig: „Ich habe einfach deinen Namen eingesetzt.“

Das habe ich für einen Witz gehalten. Und Witze machen die in der Zeit nicht. Dachte ich.

Wem leiht man das Auto auf keinen Fall? kolumne@taz.de

Montag: Kirsten Fuchs (nach Feiertagspause) über KLEIDER