Mehr Euros werden fließen

Berlin profitiert vom Marktfaktor Christopher Street Day. 134 Millionen Euor spült der Event in die Berliner Kassen. Schwule gelten als zahlungskräftige Zielgruppe. Die Politik bleibt auf der Strecke

von WALTRAUD SCHWAB

Größer, schöner, schriller – der Christopher Street Day lässt sich nicht lumpen. Zur 25. Jubiläumsausgabe des Feiertages der Homosexuellen werden noch mehr Teilnehmer als im vergangenen Jahr erwartet, als rund 550.000 auf die Straße gingen. Es wird noch länger getanzt, der Umzug wird noch bunter, die Stimmung ausgelassener sein. Mehr Euros werden fließen.

Der CSD ist zum Marktfaktor für Berlin geworden. Nach einer neuen Studie, die von „Publicom“, dem CSD und der Berlin Tourismus Marketing GmbH vorgelegt wurde, liegt der Wirtschaftseffekt, den die auswärtigen CSD-Besucher bringen, bei 134 Millionen Euro. Geld, das Berlin ohne den CSD nicht einnähme. Laut der Studie bedeutet der CSD allein für die Gastronomie Mehreinnahmen von 14 Millionen Euro. Handel und Hotellerie, die Kultur- und Veranstaltungsbetriebe sowie der Nahverkehr profitieren ebenfalls in Millionenhöhe. Schwule gelten als finanzstarke Zielgruppe.

Wird angesichts solcher Zahlen die kommerzielle Note des Events zu einer Notwendigkeit? Die Verantwortlichen vom CSD e. V. bleiben bei der Antwort vage. „Wir können die Verantwortung für das, was die Leute aus dem CSD machen, nicht übernehmen“, sagt Michael Schmidt. „Die einen wollen Party, die anderen Politik.“ In Hinblick auf politische Parolen ist der Christopher Street Day allerdings seit langem zum Selbstbedienungsladen geworden. Es gibt das zentrale Motto „Akzeptanz statt Toleranz“. Hinzu kommen 25 weitere kleingedruckte Forderungen. Für jeden etwas.

Von den 400 Leuten, die vor 25 Jahren – teils noch vermummt, um ihre Identität zu kaschieren – auf die Straße gingen, bis zu jenen 550.000 vom letzten Jahr ist ein weiter Weg. Um einen Event dieser Größenordnung zu stemmen, wird Geld gebraucht, argumentieren die Veranstalter vom CSD e. V. durchaus zu Recht. „500.000 Euro sind mindestens nötig“, sagt Schmidt. Geld, das ausgegeben wird für die ganze Event-Infrastruktur. Für Bühnen, Licht, Ton, Technik, Gebühren aller Art, Künstlergagen, Klohäuschen, Sicherheitsdienste.

Einzige Geldgeber des CSD sind Sponsoren. Von den Teilnahmegebühren für Umzugswagen, die 1996 zum Eklat führten, weil vom nichtzahlenden „Nassauer-Block“ Dreck von den Gefährten heruntergeworfen wurde, ist nicht mehr die Rede. Dass die Geldgeber sichtbar sein wollen, das versteht sich da von selbst. Deshalb tanzt das homosexuelle Volk ausgelassen neben Tiefladern mit Coca-Cola oder Bier oder Kaffeebannern.

Dass die Love Parade tot ist und der CSD lebt, hat sich rumgesprochen. 38 Prozent der CSD-Fans sind heterosexuell, geht aus der Studie hervor. Entsprechend orientieren sich die kommerziellen Partyveranstalter um und propagieren, dass alle Menschen ein wenig homosexuell seien.

Dass auch der Kreuzberger CSD als die politischere Alternative seine Unschuld verloren hat, ist ein offenes Geheimnis. Weil er dieses Jahr nicht am Oranienplatz, sondern am Hermannplatz beginnt, hat er das inoffizielle Motto „Mehr laufen trotz weniger Geld“ bekommen.