Wenn Jagr jammert

Ein 1:5 kann man positiv sehen: Jedenfalls als deutscher Eishockeyprofi nach einem Spiel gegen Tschechien

PRAG taz ■ Auch eine hohe Niederlage hat immer ihre positiven Seiten. Man muss nur ein bisschen kreativ sein, und schon sieht man sie: Wie das geht, führte Andreas Renz, Eishockey-Nationalspieler von den Kölner Haien, nach dem letzten Spiel der Weltmeisterschafts-Vorrunde am späten Mittwochabend vor. Ein 1:5 hatte die deutsche Mannschaft gegen Gastgeber Tschechien kassiert und der wackere Verteidiger vermeldete folgenden Erfolg: „Wir haben sie lange nervös gemacht. Sogar Jaromir Jagr hat geschimpft.“

Ausgerechnet also den NHL-Superstar, den bestbezahlten Eishockeyprofi der Welt, den hatte die deutsche Mannschaft zum Zetern gebracht. Andererseits aber schimpft der Tscheche sowieso gern und Renz’ Verteidigerkollege Jan Benda war denn auch weniger kreativ im Niederlagen-Gutfinden und konstatierte: „Wir haben gemauert und gemauert und gemauert. Am Ende hat die Kraft nachgelassen. Ich bin schon ziemlich frustriert.“

Man konnte verstehen, dass der Verteidiger keine besonders gute Laune hatte. Vor dem Spiel, am Tag, an dem Benda 32 Jahre alt wurde, hatte eine tschechische Boulevardzeitung vermeldet, er zahle seiner in Prag lebenden Ehefrau keinen Unterhalt. Er werde gar von der Polizei gesucht. Das sei Quatsch, erklärte Benda, und dass er die Sache schnell klären werde. Trotz solcher Nebengeräusche spiegelte aber Bendas Spielanalyse die Realität noch am ehesten wieder.

Vor 17.360 Zuschauern in der ausverkauften Sazka-Arena hatte die deutsche Eishockeyauswahl den Kufenkünstlern aus Tschechien, die mit 16 NHL-Profis antraten, das Leben mit ihrem zerstörerischem Defensivspiel so schwer gemacht, wie sie nur konnte. Nach dem Führungstreffer durch Václav Prospal eineinhalb Minuten vor Ende des ersten Drittel glichen die Deutschen sogar aus: Klaus Kathan überraschte Tschechiens Goalie Tomas Voukoun mit einem Schlagschuss von der blauen Linie. Zum ansteigenden Frust der Tschechen trug auch Robert Müller bei, der Olaf Kölzig erstmals bei der WM im deutschen Tor vertrat und sensationell hielt.

Andererseits war aber auch zu erkennen, was die Mannschaft von Bundestrainer Hans Zach nicht kann, nämlich in Überzahl Tore schießen. Im ersten Drittel brachte es die deutsche Auswahl fertig, in 149 Sekunden im Spiel fünf gegen drei kaum einen Schuss aufs Tor abzufeuern. Es war schon traurig mit anzusehen, wie der Puck tölpelig hin und her geschoben wurde. Wie es funktioniert, führten die Tschechen vor: Als sie im Schlussdrittel nur 37 Sekunden in doppelter Überzahl auf dem Eis standen, traf Jagr, 35 Sekunden später Jan Hlavac. Martin Rucinsky und Jan Hejda machten den 5:1-Sieg perfekt.

In der Zwischenrunde spielen Zachs Profis nun am Samstag gegen Österreich, am Sonntag gegen Kanada und Dienstag gegen die Schweiz. Mit zwei Siegen würden die Deutschen das Viertelfinale erreichen. Was nicht ganz einfach ist: Die kanadische NHL-Auswahl zu schlagen, ist so gut wie unmöglich. Und die Österreicher, die in der Vorrunde Kanada ein 2:2 abgetrotzt haben, sind in diesem Jahr stärker als 2003 in Helsinki, als sie Deutschland 1:5 unterlagen. Renz findet: „Gegen die Österreicher geht es um die Wurst. Wir müssen zeigen, woraus wir gemacht sind.“ Und woraus? Renz verriet es nicht. CHRISTIANE MITATSELIS

Gruppe A: Tschechien – Deutschland 5:1, Tabelle: 1. Tschechien 15:2 Tore/6 Punkte, 2. Lettland 5:5/3, 3. Deutschland 6:8/3, 4. Kasachstan 3:14/0, Gruppe B: Slowakei – Finnland 5:2, Tabelle: 1. Slowakei 10:5/5, 2. Finnland 11:8/4, 3. USA 12:8/3, 4. Ukraine 2:14/0, Gruppe C: Russland – Japan 6:1, 1. Schweden 13:4/6, 2. Russland 14:6/4, 3. Dänemark 7:14/2, 4. Japan 5:15/0, Gruppe D: Kanada – Schweiz 3:1, 1. Kanada 8:3/5, 2. Österreich 12:6/4, 3. Schweiz 11:7/3, 4. Frankreich 0:15/0