Die Stadt, der Müll und die absolute CDU

Bei der Kommunalwahl im September könnte die seit Anfang 2003 im Kölner Rathaus amtierende schwarz-grüne Koalition wieder abgewählt werden. Der Hauptgrund: Bleibt die SPD im Tiefflug, steigen die Chancen der CDU auf die absolute Mehrheit

von Frank Überall

Kölns CDU-Politiker lächeln auf Wahlkampfveranstaltungen besonders breit. Kein Wunder, hoffen doch manche Parteistrategen insgeheim sogar auf eine absolute Mehrheit der Christdemokraten bei der Kommunalwahl im Herbst. Und tatsächlich scheinen die Chancen für sie nicht schlecht zu stehen.

Aus der Kommunalwahl 1999 ging die Kölner CDU nur aufgrund der Heugel-Affäre und überraschend als Sieger hervor. Dabei profitierte sie weniger von der eigenen Wählermobilisierung als von der Wahlabstinenz klassisch sozialdemokratischer Wähler. Nach wie vor verfügt die Union nicht über eine strukturelle Mehrheit in der Stadt. Aber zurzeit spricht nichts dafür, dass es der SPD gelingen könnte, ihr Wählerpotenzial zurück an die Urnen zu bringen. Viele haben sich dauerhaft in die Nichtwählerschaft verabschiedet.

Mangelnde Alternative

Denn auch wenn die junge sozialdemokratische Spitze um Jochen Ott und Martin Börschel emsig darum bemüht ist, die Skandalgeschichten ihrer Vorgänger vergessen zu machen – Müll-, „Danke-Schön-“ und Parteispendenskandal der kölschen Korrumpels Heugel, Rüther & Co. haben tiefe Spuren hinterlassen. Zudem hat es das Tandem Ott/Börschel bislang nicht verstanden, sich als nachhaltige Alternative zu Schwarz-Grün zu präsentieren. Sie sei „richtig enttäuscht“, lästerte unlängst Grünen-Fraktionschefin Barbara Moritz in der taz. Die SPD habe „nichts initiiert, was für mich eine echte Herausforderung gewesen wäre“. Da ist leider mehr Wahres dran, als den Genossen lieb sein kann.

Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Kölner SPD und speziell ihr Vorsitzender eifrige Unterstützer der Regierungspolitik Gerhard Schröders und von dessen „Agenda 2010“ sind. Soziale Grausamkeiten in Köln zu kritisieren und die aus Berlin verordneten zu unterstützen, stärkt nicht die eigene Glaubwürdigkeit. Ohnehin ist das Bild, das die Schröder-Regierung abgibt, wenig förderlich für ein gutes kommunales Abschneiden. Auch der Bundestrend spricht vehement gegen die SPD. Die Sozialdemokraten haben durch ihre Berliner Politik in ihrer potenziellen Anhängerschaft viele Sympathien verspielt. Wenn selbst der DGB auf die Barrikaden geht, ist das ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl ein dramatisches Zeichen.

Und die Grünen? Durch ihre Koalition mit der CDU haben sie sich auf ein interessantes, aber auch sehr gewagtes Experiment eingelassen, dessen Ausgang völlig ungewiss ist. Denn auch wenn sich die Öko-Partei als erstaunlich stabiler Faktor in der Koalition erwiesen und auch keine gravierenden Fehler begangen hat, wird erst die Kommunalwahl zeigen, wie viele ihrer eigentlich auf rot-grün „gebuchten“ Wähler sie in die neue Farbenlehre mitgenommen hat. Die Grünen werden wohl mit Stimmenverlusten rechnen müssen. Die Frage dürfte nur sein, wie hoch der Aderlass sein wird.

Das sich selbst mehr oder weniger links von SPD und Grünen verordnende Spektrum droht sich demgegenüber wahlpolitisch in die Bedeutungslosigkeit zu differenzieren. Ohnehin im Unter-5-Prozent-Segment angesiedelt, stehen die Hoffnungen der jeweiligen Organisatoren, die bundespolitisch von Rot-Grün Enttäuschten und kommunalpolitisch von Schwarz-Grün Frustrierten sammeln zu können, in einem diametralen Gegensatz zu der abschreckenden Wirkung, die die neue Unübersichtlichkeit auf potenzielle Wählerinnen und Wähler ausstrahlen dürfte.

Dass neben der bisher schon mit mickrigen zwei Mandaten im Rat vertretenen PDS auch noch das „Kölner Bürger Bündnis“, das „Wahlbündnis Gemeinsam gegen Sozialraub“, die schwullesbische „Regenbogen-Liste“ und die „Ökologische Linke“ zur Wahl antreten wollen, kann vor allem ausgerechnet die CDU freuen; sie wird an diese Listen keine Stimmen verlieren, profitiert jedoch davon, wenn möglichst viele, wenn nicht gar alle den Einzug in den Rat verpassen. Denn jede Liste, die nur knapp unter dem für einen Sitz nötigen einem Prozent der Stimmen bleibt, reduziert die Prozentzahl, die die Christdemokraten brauchen, um die absolute Mehrheit der Sitze zu erhalten.

Spenden-Hungertuch

Hinzu kommt der generelle Parteienverdruss vieler Bürgerinnen und Bürger. Schon bei der letzten Kommunalwahl gab es einen historischen Tiefstand bei der Beteiligung. Wer nicht zur Wahl geht, stützt jedoch de facto die Union. Denn CDU-Wähler sind in der Regel treuer als andere, und eine niedrige Wahlbeteiligung wirkt sich meist zu Gunsten der Konservativen aus.

Erstaunlich dabei, wie es die CDU bislang geschafft hat, dass ihre eigenen Skandale nicht einen vergleichbaren Stellenwert in der Öffentlichkeit bekommen haben wie die der SPD. Sie hat Blömer und Bietmann aus der ersten Reihe zurückgezogen und sitzt den Rest aus – und scheint damit durchzukommen. Auch ökonomisch; mögliche Strafzahlungen nach ihrem Spendenskandal steckt die Kölner Union mit „links“ weg, während etwa die SPD am Spenden-Hungertuch nagt. So wird die Union mit dem höchsten Wahlkampfetat aller Parteien in die Wahlschlacht gehen können. Mit der geballten Werbekraft der CDU werden wir daher sicher einen politischen Schönwetter-Sommer erleben, bei dem die Unionisten das Blaue vom Himmel versprechen und wissen, dass die finanziellen Daumenschrauben und Sparhammer noch immer in der Schublade stecken. Dank Doppelhaushalt dürfen sie da auch erst einmal verbleiben, wenngleich sie sofort nach der Wahl wieder heraus geholt werden müssen, um den nächsten Krisenetat zu zimmern.

Fehlendes Korrektiv

Auch die immer wieder auftauchende Kompetenzarmut einiger Unionspolitiker scheint kaum noch aufzufallen. Denn die übertünchen sie mit lautem Geschrei nach mehr Kontrollen, Reinigungen und Liberalisierungen. Da wird sich um Olympia und als Kulturhaupt- oder Wissenschaftsstadt beworben, aber der politische Diskurs fehlt völlig. Davon können auch keine Leitbild-Geplänkel ablenken.

Eine absolute Mehrheit der CDU wäre indes höchst problematisch. Denn Kompromisse würde die CDU damit in den nächsten fünf Jahren kaum mehr machen müssen, der Stadt würde ein anderer „Stempel“ ohne Korrektive politischer Partner oder Gegner „aufgedrückt“. Die Christdemokraten müssten sich nicht mehr darum bemühen, liberaler zu erscheinen, als sie tatsächlich sind. Das würden nicht nur Menschen, die in Köln Zuflucht vor Verfolgung und Not suchen, drastisch zu spüren bekommen. Die Stadt würde insgesamt sozial kälter.

Zudem droht, dass sich die Christdemokraten die Stadt zur „Beute“ machen. Wenn Fritz Schramma, ohnehin noch für fünf weitere Jahre gewählt, sich nur noch mit seinen Parteifreunden abstimmen muss, geriete auch die Kölner Stadtverwaltung vollends in Unionshand – was fatal wäre, versucht die Union doch schon jetzt, so viele städtische Stellen wie möglich „parteibuchtreu“ zu machen. So würden „Altlasten“ geschaffen, an denen auch in späteren Legislaturen die jeweiligen Rathausmehrheiten ihre Freude haben dürften. Von den Bürgerinnen und Bürgern ganz zu schweigen.