Ein Husarenstück aus dem Freistaat Bayern

Wie Innenminister Günther Beckstein beim Bürokratieabbau in die Kloschüssel greift und deftig abgestraft wird

MÜNCHEN taz ■ Der Bürokratieabbau in Bayern schreitet rasend voran. Und schlägt dabei manch wundersame Kapriole. Nach der vergangenen Landtagswahl, die die CSU haushoch gewann, kündigte die ewige Regierungspartei eine grundlegende Reform der Verwaltung an. Und die hat in diesen Tagen ein Zentrum bayerischer Gemütlichkeit erreicht, die Wirtshäuser. Innenminister Günther Beckstein nahm es auf sich, eine Verordnung des Baurechts zu streichen, die Details zum Ausbau von Gaststätten regelt. Nachvollziehbares Ziel: Baugenehmigungen sollten zukünftig schneller erteilt werden können. Der unerwartete Nebeneffekt: Die Verpflichtung für kleinere Gaststätten, Toiletten bereitzustellen, sollte entfallen.

Diese Ankündigung sorgte in Bayern – nicht ganz unerwartet – für entsetzte Proteste. Und zog hoheitliches Handeln nach sich. Das Kabinett selbst nahm sich der Sache an und beschloss, die Toilettenpflicht grundsätzlich neu zu regeln. Ein WC-Verzicht, so ließ ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums verlauten, wäre „im Hinblick auf geltende Hygiene- und Seuchenvorschriften“ undenkbar. Auch der Präsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, Ludwig Hagn, meldete sich zu Wort und klagte über drohende Konkurrenz von Bäckereien und Metzgereien. Deren Imbissläden dürfen bislang meist keine Sitzplätze anbieten, weil sie nicht genügend Toiletten nachweisen können. Das Kabinett zog die Notbremse: Reform retour. Innenminister Beckstein, einmal in der Kritik, sah sich nun von Parteikollegen mit ungewohnter Schelte konfrontiert. Dem Gewohnheits-Hardliner werfen sie nun vor, auch in Sachen innere Sicherheit plötzlich allzu liberale Züge an den Tag zu legen. BERG

inland SEITE 7, portrait SEITE 12