Der Bin Laden von Casablanca

MADRID taz ■ Abdelkrim Mejjati soll die Fäden für die Anschläge vom 11. März in Madrid gezogen haben. Der „marokkanische Bin Laden“, wie die Presse im nordafrikanischen Königreich den 36-Jährigen nennt, gilt als Kopf der Islamischen Marokkanischen Kampfgruppe (IMK). Die Gruppe, die von ehemaligen marokkanischen Afghanistankämpfern gegründet wurde, unterhält enge Kontakte zu al-Qaida.

Wie der echte Bin Laden wandelte auch Mejjati sich vom wohlhabenden Lebemann zum Vertreter orthodoxester Religionsansichten. Der Sohn eines marokkanischen Vaters und einer französischen Mutter wuchs in Casablanca auf. Dort besuchte er das Lyautey-Gymnasium, eine der renommiertesten französischen Auslandsschulen. Nach dem Abitur studierte er in Frankreich Medizin – ohne Abschluss. Seine Kommilitonen haben ihn aufgeschlossen und modern in Erinnerung. Mejjati habe so ziemlich gegen alle Verbote des Islam verstoßen: Er trank Alkohol, ging in Diskos, flirtete und aß Schweinefleisch.

Ausgerechnet in Frankreich soll Mejjati Kontakt zu radikalen Islamisten bekommen haben. Der Mann, der nur schlecht Arabisch spricht, begann sich mit dem Koran zu beschäftigen. Vermutlich besuchte er Trainingscamps von al-Qaida in Afghanistan und Kaschmir. Wieder in Casablanca, machte er einen verblüffenden Wandel durch: Er ließ sich einen Bart wachsen, kleidete sich und seine zwei kleinen Söhne in afghanische Gewänder, seine Frau ging nur noch mit einer Burka aus dem Haus, und in seiner Villa hielt er immer wieder Koranlesestunden ab.

Mejjati verschwand unmittelbar nach den Anschlägen von Casablanca am 16. Mai 2003 spurlos. In den Tagen vor den Bomben in Madrid soll er sich in Spanien aufgehalten haben. In beiden Ländern wird er als Kopf der Terrorgruppen gesucht. Doch damit nicht genug. Auch das FBI hat den Marokkaner auf der Liste: Mejjati hatte sich zwischen 1997 und 1999 in den USA aufgehalten. Auch in Saudi-Arabien wird er gesucht: Dort soll er einen Anschlag in Riad mit geplant haben.

Der große, hellhäutige Mann hat keine Schwierigkeiten, unerkannt durch Europa zu reisen. Einige vermuten ihn gar dort. Andere wiederum glauben, er könnte sich im unwegsamen Norden Marokkos versteckt halten. RW