Fernab der Einfamilienhäuser

Die Fotografin Beate Lama hat sechs Wochen lang mit ihrer Kamera das Leben im beschaulichen Oldenburg abseits der Heimeligkeit und Vorgarten-Idylle gesucht

Wer wie Beate Lama aus dem Ruhrgebiet nach Oldenburg kam, der mag sich wie im Erholungsurlaub auf einer Insel fühlen. Die Luft so rein, die Vorgärten geharkt, die Menschen zufrieden. Eine heile Welt, so empfinden es die meisten Oldenburger, die ja im Laufe der Jahrhunderte nur selten gestört wurden.

Zuletzt vielleicht beim Großen Stadtbrand, der die Stadt 1676 in Schutt und Asche legte. Weitere Katastrophen oder Brüche, aus denen sich die Menschen mühsam hocharbeiten mussten, gab es nicht. Das heimelige Gefühl der Oldenburger dürfte sich aus diesem sachten Gang durch die Zeitläufte speisen, vor allem aber aus ihrer Lebenswelt, die zum allergrößten Teil im Vorstadt-Einfamilienhaus mit Garten stattfindet. Davon stehen in Oldenburg im Vergleich zu anderen Städten übermäßig viele. Und es ist – da konnte Alexander Mitscherlich schon in den 1960ern über „Einfamilienweiden“ als „Begriff städtischer Verantwortungslosigkeit“ lästern – die immer noch beliebteste Wohnform. Die Oldenburger haben sich in dieser Kuscheligkeit selbstzufrieden eingenistet, haben sich ordentliche Welten hinter Normklinker geschaffen. Kollektiv geht ihnen auch jene Umfrage der Zeitschrift Bunte von 1979 nicht aus dem Kopf, in der Oldenburg zur beliebtesten Großstadt gekürt wurde. Damit lebt es sich gut.

Wer wie die Malerin und Fotografin Beate Lama also aus dem Ruhrgebiet in diese Stadt kommt, aus einer Gegend, die aus ihren Brüchen geradezu lebt, wird sich wundern über diese Vorstellung einer heilen Welt, baut sich dort vielleicht irgendwann selbst ein Haus – oder geht auf die Suche, weil das doch nicht alles sein kann.

Beate Lama ist mit ihrer Kamera sechs Wochen durch die Stadt gelaufen; gesucht hat sie das Oldenburg fernab der Einfamilienhauswelten, ein Oldenburg von unten, das voller Brüche ist. Das Oldenburg der Obdachlosen, die von Heimeligkeit und Idylle weit entfernt sind. Lama fand es unter Brücken, am Bahnhof, in Straßen, die gemeinhin nicht als „Brennpunkte“ gelten, und im Tagesaufenthalt der Diakonie, den sie als einen der wenigen Schutzräume für die Obdachlosen ausgemacht hat.

Beate Lama, 1958 in Oberhausen geboren, zeigt ihre Bilder jetzt im katholischen Forum St. Peter, als Titel für die Ausstellung hat sie „Berührungsangst“ gewählt. Die attestiert sie und will sie zugleich abbauen helfen. Entstanden sind intime Porträts, die ein ganz anders Oldenburg zeigen. Mittendrin am Rande.FELIX ZIMMERMANN

Ausstellung ab 15. 12. im Forum St. Peter, Peterstraße 20, Oldenburg