bilanzen, teil 7
: Der Wendige

„Der Lange“ nennt der Volksmund Bremens Bürgermeister Henning Scherf, der als Fahrradfahrer auf Wahlplakaten posiert. Seit 1978 sitzt er im Senat, solange wie kein anderer. Er war Senator für Finanzen, von 1979 bis 1990 Senator für Jugend und Soziales, zwischendurch auch kommissarisch für Gesundheit und Sport, für Bildung, Wissenschaft und Kultur, schließlich für Justiz und nebenbei für „kirchliche Angelegenheiten“. Auch in der Partei mischt „der Lange“ seit einem Vierteljahrhundert mit: 1984 kam er erstmals in den Bundesvorstand. Heute soll er im Auftrag des Kanzlers für den Bundesrat zwischen CDU- und SPD-Ländern vermitteln.

Taktiere, teile und herrsche – das ist das Erfolgsrezept des alten Meisters der Politik. Und da er weiß, wie schnell sich die Zeiten ändern, legt er sich ungern fest. Scherf über Gerhard Schröder, den Kanzler 2003: „Das stimmt nicht, was viele denken, ich würde ihn nicht mögen.“ Scherf 1995 über den niedersächsischen Kanzler-Kandidaten Schröder: „Ich habe bislang trotz großer Anstrengung von Gerhard Schröder noch keinen einzigen Satz zu sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik gehört.“ Erst wenn der Niedersachse im eigenen Land ein positives Beispiel böte, sei er bereit, so Scherf damals, „ihn gegen alle zu verteidigen, die ihn ein Schwein nennen“.

Schon als Bildungssenator konnte Scherf Krokodilstränen vergießen, während er Kinder umarmte, deren Schuldächer er nicht reparieren konnte. Später als Justizsenator erfand Scherf die “Rahmenverantwortung“ für seine Rolle, während der Staatsrat nach dem Knastskandal gehen musste. Bis heute umrahmt Scherf das Hinterhof-Ressort, dessen Insassen unter Sparzwängen ächzen. Einziger Lichtblick im Ressort hätte ein neuer Knast werden sollen – doch bisher gab es nichts als warme Worte. Nur wenn der Staatsrat, die ganz rechte Hand des SPD-Justizsenators, die Genossen so vergällt, dass die CDU umso freudiger applaudiert, mischt sich der Senator ein. Als rote Ampel quasi, mit dem richtigen Gespür dafür, wann ein machtbewusster Bürgermeister die kurze Decke zwischen Koalitionsfrieden und Geldnot glatt ziehen muss. Dafür lieben ihn die BremerInnen. Und auch dafür, dass der Medienmann an der richtigen Stelle Herz zeigt. Dann liebt er zurück.

Wer dem Präsidenten des Bremer Senats allerdings die Gefolgschaft verweigert, der muss mit öffentlicher Nachstellung rechnen. Da kann der Große ganz kleinlich werden, wenn er vor Publikum die Gürtellinien anderer bloß legt. Genossen bleiben nicht ausgespart. Scherf wird ein Pferdegedächtnis nachgesagt, was in Ungnade gefallene Personen angeht.

Eva Rhode