Die Distanz wächst mit jedem Anschlag

Durch den Tod Jassins wird deutlich, wie groß die Kluft ist zwischen den arabischen Regierungen und der Bevölkerung

KAIRO taz ■ Der israelische Premierminister Ariel Scharon hat einen neuen Heiligen geschaffen. Als neue übergeordnete Märtyrerfigur wird der ermordete Hamas-Führer Scheich Jassin nun in die islamisch-arabischen Annalen eingehen.

Die arabischen Fernsehstationen schalteten schon wenige Stunden nach seinem Tod zahlreiche arabische Kommentatoren, die den Führer der militanten Islamistenorganisation zum Widerstandssymbol, nicht nur für die Islamisten, sondern auch für die arabischen Nationalisten und die gesamte arabische Welt erklärten. „Ahmed Jassin ist nicht nur Palästina, er repräsentiert den gesamten Islam“, fasste der prominente Fernsehprediger Scheich Qaradawi im arabischen Satellitenkanal al-Dschasira diese Ansicht in einen Satz.

Dem alten, halb blinden Hamas-Scheich kommt damit ein Status zu, von dem die arabischen Regime nur träumen können. Die übten sich zunächst im Schweigen oder verbreiteten Allgemeinplätze, wie etwa, dass die Ermordung Scheich Jassins zur verurteilenswerten Eskalation führen wird.

Wieder einmal wird deutlich, wie groß die Lücke ist, die zwischen Regime und Bevölkerung klafft. Der Druck von der Straße, etwas in Sachen israelisch-palästinensischen Konflikt zu unternehmen, ist seit der palästinensischen Intifada stets gewachsen und nur im letzten Jahr aufgrund des Irakkrieges etwas in den Hintergrund geraten.

Dass der Palästinakonflikt aber nicht einfach so von der Landkarte verschwinden wird, das haben die letzten Stunden bewiesen. Nun werden die Prioritäten erneut verschoben. Das ist besonders problematisch für jene arabischen Regime, die mit Israel diplomatische Beziehungen unterhalten. Der jordanische König Abdallah hatte sich noch am Freitag heimlich mit Scharon getroffen und dürfte diese Zusammenkunft wohl mehr als bereuen.

Eine ägyptische Parlamentarierdelegation sollte eigentlich diese Woche nach Israel reisen aus Anlass des Jahrestages der Unterzeichnung des ägyptisch-israelischen Friedensvertrages vor einem Vierteljahrhundert. Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat die Reise nun abgesagt. Nun heißt es für die arabischen Regierungen weiter: Kopf einziehen und warten, bis sich der Sturm gelegt hat. Das dürfte allerdings eine Weile dauern.

KARIM EL-GAWHARY