Es stinkt in Fröttmaning

Der „Löwen“-Präsident soll Interna an eine Baufirma verraten haben. Die bekam den Auftrag. Er 2,8 Millionen Euro

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Alles lief glatt, doch nun beginnt es draußen am Münchner Müllberg mächtig zu stinken: Bestechungsvorwürfe, Haftbefehle – ein übel riechender Sumpf tut sich in Fröttmaning an der nördlichen Stadtgrenze auf, dort, wo neben einer begrünten Müllhalde „das ungewöhnlichste Stadion der Welt“ entsteht, wie Bayern-Kaiser Beckenbauer einst frohlockte. Karl-Heinz Wildmoser, seit fast zwölf Jahren Präsident des TSV 1860 München, und sein Sohn Karl-Heinz Wildmoser junior, Geschäftsführer des in Abstiegsnöten befindlichen Bundesligisten, sind wegen des Verdachts auf Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung verhaftet worden – das Ende eines schönen Märchens.

Es begann im Januar 2001, als die zwei größten Münchner Fußballvereine ein Bündnis zum Neubau eines eigenen Stadions beschlossen. Die so unterschiedlichen Klubs – hier der FC Ruhmreich, dort die weiß-blauen Underdogs – gründeten die München Stadion GmbH mit den Geschäftsführern Karl-Heinz Wildmoser junior und Fritz Scherer vom FC Bayern, der vor einer Woche überraschend aus „persönlichen, gesundheitlichen Gründen“ zurücktrat. Die Gesamtkosten von rund 285 Millionen Euro werden von den Vereinen getragen. Den Zuschlag für die Arena erhielt die Bietergemeinschaft Alpine Bau Deutschland GmbH als Generalübernehmer im Verbund mit den Schweizer Architekten Herzog und de Meuron und der HVB Immobilien AG als Generalplaner.

Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks geht es bei den Bestechungsvorwürfen gegen die Wildmosers um geheime Informationen aus dem Ausschreibungsverfahren, die Wildmoser senior an die Baufirma Alpine weitergegeben haben soll. Er soll dem Unternehmen mitgeteilt haben, dass im Ausschreibungsverfahren eine Maximalsumme von 280 Millionen Euro für den Bau akzeptiert würde. Ein entsprechendes Angebot reichte die Alpine ein und erhielt prompt den Zuschlag. Daraufhin sollen dann 2,8 Millionen Euro – was einem Prozent der Bausumme entspricht – über Strohmänner und Schweizer Konten an die Wildmosers geflossen sein, so die Staatsanwaltschaft.

All dem vorangegangen war eine jahrelange Diskussion um das Olympiastadion, seit vielen Jahren gemeinsame Spielstätte der beiden Bundesligisten. Der Tenor: Das „Oly“ ist kein Fußballstadion, nicht mehr zeitgemäß, man sitzt oder steht zu weit entfernt vom Spielfeld, es kommt keine Stimmung auf, und überhaupt gehören hier nur Leichtathleten oder Rockstars rein. Hitzkopf Beckenbauer hoffte gar „dass sich irgendein Terrorist finden lässt, der das Ding in die Luft sprengt“.

Architekt Behnisch, der das Kunstwerk anlässlich der Olympischen Spiele 1974 erschuf, wurde mit einem Großumbau beauftragt, der nach zahllosen Modellen, hitzigsten Debatten und einem Bürgerbegehren schließlich abgeblasen wurde. Es begann die Suche nach einem neuen Standort. Das Gelände an der Neuen Messe in Riem schien geeignet, doch auch dieser Traum platzte, worauf die verärgerte FC-Bayern-Spitze mit einem Umzug aufs Land drohte.

Im April 2001 nahm die Debatte Fahrt auf. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, zugleich Vorsitzender des FC-Bayern-Verwaltungsbeirats, gab zu bedenken, dass München womöglich kein Spielort der Fußball-WM 2006 werde, weil die Stadt in der Stadionfrage zu zögerlich agiere – der Druck auf Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) stieg. Bald darauf stimmte der Stadtrat dem Standort Fröttmaning zu. Und auch ein Bürgerentscheid ergab eine Zweidrittelmehrheit pro Fröttmaning. Am 8. Februar 2002 legten sich die Vereine auf den Bau des „Schwimmreifen-Modells“ fest. Hauptsponsor und Namensgeber wurde die Allianz-Versicherung.

In den vergangenen zwei Jahren ist der Koloss in enormem Tempo gewachsen, von der unmittelbar vorbeiführenden Autobahn nach Nürnberg aus bestens zu begutachten. Hier liegen derzeit noch die größten Probleme: bei der Verkehrsanbindung. Die Autobahnzubringer verschlingen sehr viel Steuergeld, der öffentliche Nahverkehr ist kaum angebunden, eine zufrieden stellende Lösung nicht in Sicht.

Unwahrscheinlich auch, dass Karl-Heinz Wildmoser senior die Vollendung seines Lebenswerks so erlebt, wie er es erträumt hat: beim Eröffnungsspiel der Fußball-WM am 9. Juni 2006 in einem der schönsten Stadien der Welt, Seit’ an Seit’ mit den Großen des Weltfußballs. Daraus wird wohl nichts.