EU-Kollegen skeptisch gegenüber Eichel

Finanzministerrat hält die deutsche Wachstumsprognose für überzogen und das Stabilitätsprogramm für gefährdet

BRÜSSEL taz ■ Mit einer positiven Konjunkturprognose und optimistischen Defizitschätzungen versuchte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) gestern am Rande des Finanzministerrates in Brüssel gute Stimmung zu verbreiten. Das deutsche Stabilitätsprogramm, das 1,5 bis 2 Prozent Wachstum annimmt, sei realistisch. Die Bundesregierung werde die Verpflichtung des Rates erfüllen, das Defizit 2004 auf ungefähr 3,25 Prozent und 2005 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken.

Seine Kollegen konnte er damit nicht überzeugen. „Das Erreichen dieses Ziels ist mit mehreren Risiken behaftet“, stellten sie in einer gemeinsamen Erklärung fest. Die Wachstumserwartungen seien zu optimistisch. Hohe Sozialausgaben könnten den Haushalt zusätzlich belasten. Ausdrücklich lobten sie aber die deutschen Reformpläne.

Eichel kritisierte noch einmal die Steuerreform-Vorschläge der Opposition: Man könne nicht von der Regierung einen ausgeglichenen Haushalt verlangen und zugleich Einnahmeausfälle von 16 Milliarden Euro fordern. Auf Fragen nach dem Quellensteuerstreit mit der Schweiz antwortete Eichel kurz: „Ich unterstelle keinem europäischen Land, auch der Schweiz nicht, dass es auch nur teilweise davon leben will, dass es sich zur Fluchtburg für Steuerhinterzieher macht.“

Zum EU-Wirtschaftsgipfel Ende März in Brüssel sagte Eichel: „Europas Aufbau muss verbunden werden mit dem Abbau nationaler Sonderregelungen. Nur dann kann der Binnenmarkt sein Wachstumspotenzial voll entfalten.“ Die Deregulierung sei die Hauptaufgabe der kommenden Jahre. Bei der Besteuerung müsse es eine gemeinsame Bemessungsgrundlage, harmonisierte Steuersysteme und einheitliche Mindeststeuersätze für Unternehmen geben.

DANIELA WEINGÄRTNER