„BASF profiliert sich destruktiv“

Anfang Mai berät die Emissionshandels-Arbeitsgruppe des Bundesumweltministeriums Regeln zur Bekämpfung des Treibhauseffektes. WWF-Expertin Regine Günther warnt vor einem Ausstieg der Wirtschaft. Die nämlich ruft nach dem Staat

Interview NICK REIMER

taz: Noch im April will Russland das Kioto-Protokoll ratifizieren – das damit in Kraft tritt. Anfang Mai berät die deutsche Arbeitsgruppe „Emissionshandel“ den nationalen Aktionsplan. Gute Zeiten für das Klima?

Regine Günther: Ziel der Arbeitsgruppe ist, die Brüsseler Richtlinie zum Emissionshandel in nationales Recht umzusetzen. Das ist eines der wichtigesten industriepolitischen Themen der Gegenwart. Trotz dieser Brisanz gibt es aber keine Diskussion in der Öffentlichkeit – das Thema wird allein in Fachzirkeln behandelt. Als von der Umweltbewegung entsandtes Mitglied der Arbeitsgruppe kann ich nur warnen: Jetzt ist die Zeit der Weichenstellung. Und jetzt tauchen Positionen auf, die falsch sind.

Welche denn?

In einer Selbstverpflichtung hat die Industrie – in der Arbeitsgruppe durch verschiedene Branchen vertreten – eine Reduktion von 45 Millionen Tonnen Kohlendioxid bis 2010 zugesagt. Im Moment versucht die Wirtschaft aus dieser Zusage auszusteigen – allenfalls noch 10 Millionen Tonnen will sie zusagen. Der Industrie geht es jetzt, da es konkret wird, nicht mehr darum, dass Instrument des Emissionshandels zu gestalten. Einige Unternehmen – allen voran BASF – profilieren sich mit absolut destruktiven Vorschlägen.

Bislang hat die Industrie ihre Eigenverantwortung für die Minderung anerkannt. Wer soll für sie einspringen?

Der Staat. Das Argument der Wirtschaft heißt: Wir brauchen eine bedarfsorientierte Ausstattung der Emissionmenge. So soll etwa das Wirtschaftswachstum eingerechnet werden: Zwei Prozent mehr Wachstum sollen auch zwei Prozent mehr Emission erlauben. Das führt das gesamte System ad absurdum. Auffangen soll dies der Staat mit einer Reserve, die die Industrie von der absoluten Deckelung befreit.

Neben der Industrie sitzt der Staat – Bund und Länder – in der Arbeitsgruppe. Ziel ist, im Allokationsplan Regeln für den Emissionshandel aufzustellen. Wie sehen die aus?

Der Emissionshandel funktioniert nach einem Cap-und-Trade-System. Das heißt: Die Emission wird pro Anlage begrenzt. Wer unter dieser Grenze bleibt, kann Geld verdienen, wer mehr emittiert, muss Zertifikate zukaufen. Daraus ergibt sich die zentrale Frage: Welche Anlage bekommt welche Emissionsmenge? Und zweitens: Wie viel muss die Industrie insgesamt einsparen – 45 Millionen Tonnen oder weniger? Seit jüngster Zeit ist zu beobachten, dass einzelne Branchen und Unternehmen gegeneinander arbeiten, weil es hier um sehr viel Geld geht.

Kommt die Industrie mit ihren Forderungen durch?

Der gesamte Emissionshandel ist ein System, dass nur dann funktioniert, wenn die Eigenverantwortung bei den Unternehmen bleibt. Nur wenn die einen Impuls haben, nachzudenken, wie sie effizienter wirtschaften können, wird Kohlendioxid gespart werden. Wenn wir dazu kommen, dass der Staat mit einer Art Reserve diesen Impuls außer Kraft setzt, dann widerspricht das dem Geist der EU-Direktive. Brüssel wird das nicht zulassen.

Die EU hatte diese Direktive Ende letzten Jahres erlassen. Wie viel Zeit bleibt Deutschland zur Umsetzung?

Im Frühjahr 2004 soll der Allokationsplan in Brüssel eingereicht werden. Das ist Voraussetzung, um wie geplant Anfang 2005 mit dem Emissionsrechte-Handel beginnen zu können. Angesichts dieser Daten und der Komplexität des Themas wird klar: Der Zeitdruck ist enorm.