orientexpress (2)
: Ein Tagebuch unseres Nahost-Korrespondenten Karim El-Gawhary

Was von der Orgie übrig blieb

„Dieses Bettgestell kennst du doch!“ Beim Betrachten der Bilder von der Plünderung des Sheraton Basra hatte ich Déjà-vu-Erlebnisse. Zwei strahlende Männer tragen einen holzgeschnitzten Bettrahmen nach Hause, der verblüffend jenem Gestell ähnelt, aus dem ich mich an einem Morgen vor drei Jahren bei einem Besuch in Basra dank der völlig durchgelegenen Matratze nur mit stechendem Schmerz im Kreuz winden konnte.

Auch die vollkommen leer geräumte Rezeption des Fünfsternehotels und die Lobby mit ihren berühmten Arkaden wecken Erinnerungen. Beispielsweise daran, wie ich dort über eine Stunde auf die Rechnung warten musste, so lange, bis der hochgradig demotivierte Hotelmitarbeiter in mein Zimmer nach oben und wieder zurückgeschlurft war, um festzustellen, dass ich keine Cola aus der Hotelbar entnommen hatte. Nur die den heutigen Plünderungen verwundert zuschauenden britischen Soldaten vor der Tür des Hotels fehlten damals.

Ach ja, das Sheraton Basra, was für eine Institution! An ihr lässt sich der Auf- und Niedergang der ganzen Region festmachen. Einst galt es als das gastronomische Kronjuwel am Golf. Noch in den frühen 80er-Jahren kamen hier die Reichen und Schönen aus der zwei Autostunden entfernten Stadt Kuwait zum stilvollen Dinner angefahren. Sprichwörtlich waren auch die kuwaitischen Orgien in dem südirakischen Hotel.

Damit war es dann vorbei, als im ersten Golfkrieg die ersten Granaten vom gegenüber liegenden iranischen Ufer des Schatt al-Arab im Hotel einschlugen. Der zweite Golfkrieg und zwölf Jahre UN-Sanktionen bedeuteten dann das endgültige Aus für das einstige Luxusquartier. Die Wasserhähne begannen zu tropfen, und die Kacheln im Badezimmer bekamen Risse, ganz abgesehen davon, dass ein Tierpark von Kakerlaken und Ameisen die Zimmer für sich eroberte. Was die Menschen in den letzten Tagen alles aus dem Hotel herausgetragen haben, sind somit nur mehr die traurigen Reste ehemaliger Schwelgerei.

Während Basra sich mit dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins in einen riesigen Selbstbedienungsladen verwandelt hat, denkt man in Kairo immer noch an die Anfänge des irakischen Diktators. Damals, als Saddam Hussein 1959 die Kasr-Nil-Hochschule im Kairoer Bezirk Dokki besuchte. Den Irak musste er damals verlassen, da er steckbrieflich gesucht wurde.

Bis heute erzählt man sich in einem der Schule nahe gelegenen Kaffeehaus die Geschichten von damals. Saddam war kein besonders guter Student und soll viel Zeit in diesem Café verbracht haben. Dort fiel er vor allem dadurch auf, dass er seine Zeche nicht bezahlen konnte und stets anschreiben ließ. Die Schulden nahm er dann mit sich, als er über Nacht 1961 in den Irak zurückkehrte. Der Besitzer des Cafés hatte den unangenehmen Gast schon fast vergessen und auch nicht allzu aufmerksam die Nachrichten verfolgt, als Jahre später tatsächlich ein Bote aus der irakischen Botschaft vorbeikam, um die Ehrenschulden „des irakischen Präsidenten“ zu begleichen. „Wie?“, fragte der von der unerwarteten Zahlung überraschte alte Kaffeehausbesitzer, „der unnütze Saddam Effendi hat inzwischen tatsächlich eine Arbeit gefunden?“