Krankenhäuser in Not

Bagdads Hospitäler sind mit Verwundeten überfüllt. Längst sind Medikamente, Betten und sauberes Wasser knapp

von SVEN HANSEN

Die Krankenhäuser der irakischen Hauptstadt können die hohe Zahl der eingelieferten Verwundeten längst nicht mehr angemessen behandeln. In vielen Hospitälern mangele es laut Internationalem Roten Kreuz (IKRK) an Medikamenten, chirurgischen Instrumenten, Betäubungsmitteln und medizinischem Material. Viele Ärzte seien von der Arbeit rund um die Uhr völlig erschöpft. Auch erschwerten Stromausfälle und die Zerstörung der Trinkwasserversorgung die Arbeit.

„Die Behandlung und besonders chirurgische Eingriffe sind unter diesen Umständen extrem gefährlich für die Patienten“, erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Situation wird dadurch erschwert, dass auch in der Nähe der Hospitäler Geschosse einschlagen. Erschütterungen und klirrende Scheiben verursachten zusätzlichen Stress.

Allein am Samstag wurden in Bagdads großen Krankenhäusern nach IKRK-Angaben pro Stunde einhundert Verletzte eingeliefert. Für diese stünden Betten nicht in ausreichender Zahl bereit. Inzwischen müssten Verletzte aus Platzgründen eigentlich abgewiesen werden, jetzt werden sie auf den Korridoren notdürftig behandelt. Blutverschmiertes Bettzeug könne nicht mehr gereinigt werden. Niemand habe mehr einen Überblick über die Zahl der Toten und Verletzten. „Manche sind nicht mehr in der Lage, Buch zu führen“, sagt der IKRK-Sprecher Roland Huguenin-Benjamin in Bagdad. Auch die irakische Regierung gibt keine Opferzahlen mehr bekannt, seit in Bagdad gekämpft wird.

Die fünf großen Zivilkrankenhäuser der Stadt waren schon mit zivilen Opfern der US-Bombenangriffe überfüllt, als am Samstag US-Panzer ihren ersten Vorstoß in die Hauptstadt unternahmen. „Die Bedingungen in den Hospitälern sind schrecklich“, sagt Huguenin-Benjamin. Am Montag konnte eine Rotes-Kreuz-Delegation aufgrund der Kämpfe selbst nur noch eines der Krankenhäuser aufsuchen. Auch Gesundheitspersonal habe Schwierigkeiten, die Hospitäter zu erreichen. Im nordöstlichen Al-Kindi-Hospital mit ursprünglich 250 Betten spielten sich am Montag dramatische Szenen verzweifelter Menschen ab, berichteten Reporter. Selbst für Leichen sei kein Platz mehr vorhanden. In den 24 Stunden zuvor soll das Hospital nach Angaben von Ärzten vier Tote und 176 Verletzte aufgenommen haben. Im Kadhimija-Hospital sollen es von Sonntag bis Montag 18 Tote und 141 Verletzte gewesen sein.

Die Krankenhäuser hätten vom Roten Kreuz neben Betäubungsmitteln und medizinischem Material auch dringend Leichensäcke angefordert. Das IKRK konzentriert sich zudem auf die Versorgung mit sauberem Wasser. Bereits in den vergangenen Tagen seien Wasserbehälter an Krankenhäuser geliefert und Generatoren zur Notstromversorgung repariert worden. Doch jetzt seien die Vorräte erschöpft. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen, sollte die Situation noch schlimmer werden“, sagte der verzweifelte Arzt Emad al-Maschaadani gegenüber Reuters.

Auch in anderen Landesteilen ist die Situation der Krankenhäuser prekär. So zum Beispiel in den Krankenhäusern von Hilla, Kerbela und al-Anbar. In Mahmudia könne das dortige Krankenhaus keine Verwundeten mehr aufnehmen, Verletzte aber wegen der Kämpfe nicht mehr nach Bagdad schicken, da dort inzwischen selbst gekämpft werde, berichtete der IKRK-Sprecher Mu’in Kassis aus Jordaniens Hauptstadt Amman.

Derweil fehlt von zwei Mitarbeitern der internationalen Nothilfeorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ jede Spur. Die beiden Mediziner arbeiteteten seit mehreren Wochen im Bagdader Al-Kindi-Hospital. Am 2. April wurden sie das letzte Mal gesehen. Die Organisation vermutet, dass die beiden von den irakischen Behörden festgehalten werden.