Gefährliches Leben

In der Kulturbrauerei stellten deutsche und irakische Dichter eine CD-ROM mit Lyrik aus beiden Kulturen vor

„Immer wieder geschieht etwas: Ein Krieg wird erklärt. Ein Kind wird geboren. Ein Herz wird gebrochen“, so beginnt der irakische Dichter Fadhil al-Azzawi eines seiner Gedichte. Den Abend in der literaturWERKstatt beginnt deren Direktor Dr. Thomas Wohlfahrt dann folgerichtig mit einem Hinweis auf die Weltlage: Gerade in Zeiten des Krieges sei das Fortschreiben von Gedichten und ihr Vortrag wichtiger denn je, um dem Krieg als Ende jeder Kultur etwas entgegenzuhalten.

Schon im Februar ist auf der Kairoer Buchmesse eine CD-ROM vorgestellt worden, die auf Initiative der literaturWERKstatt hin entstanden ist und an diesem Abend in der Kulturbrauerei präsentiert wird. Sie trägt den Titel „Begegnungen deutsch-arabischer Poesie“ und soll den Austausch zwischen der deutsch- und der arabischsprachigen Lyrik dokumentieren. Dieser Austausch funktioniert zunächst durch Übersetzungen. Filmbeiträge, Essays und Tonbeispiele berichten außerdem über unterschiedliche Ansätze und Poetiken, aber auch über gemeinsame Projekte wie etwa die zweisprachige Literaturzeitschrift diwan, die 2001 von der irakischen Dichterin Amal al-Jubouri gegründet wurde.

Gemeinsam mit ihrem Landsmann Fadhil al-Azzawi und der deutschen Dichterin Brigitte Oleschinsky las Amal al-Jubouri bei der Vorstellung der CD-ROM aus ihren Gedichten, auch hier zweisprachig. In der Diskussion, in der sich die drei Dichter danach über ihr Rollenverständnis unterhielten, wurde deutlich, dass die Poesie im arabischen Kulturraum einen ganz anderen Stellenwert hat als hierzulande: „Ein Dichter ist bei uns nicht irgendjemand“, sagt Amal al-Jubouri, die vor ihrer Flucht aus dem Irak nach Deutschland 1997 im irakischen Fernsehen ein eigenes Kulturprogramm geleitet hat und außerdem als literarische Übersetzerin und als Verlegerin tätig war.

Als Dichter habe man im Irak viel größeren Einfluss auf das öffentliche Leben als in Deutschland, Dichter seien das Gedächtnis ihres Volkes, sogar auf Demonstrationen würden bekannte Gedichte skandiert. „Richtige Dichter sind deshalb gefährlich, und sie leben gefährlich.“ Wenn Fadhil al-Azzawi eher die Gemeinsamkeit zwischen deutschen und arabischen Dichtern hervorhebt und etwa betont, für jeden Dichter sei die vorrangige Aufgabe, „ein gutes Gedicht zu schreiben“, dann bleibt seine jüngere Kollegin bei ihrer Position: „Die Wörter befreien uns, aber sie bringen uns auch in Gefahr und manchmal sogar ins Gefängnis.“ In einem ihrer Gedichte schreibt Amal al-Jubouri, an Paul Celan gewandt: „Die Angst ist ein Meister aus meinem Land, der Tod war ein Meister aus deinem Land.“ ANNE KRAUME