Schnellster Zug Europas gebremst

Mit 350 Stundenkilometern sollen zwei Hochgeschwindigkeitszüge schon bald durch Spanien rauschen. Darunter ein ICE von Siemens. Wären da nur nicht die vielen Pannen

MADRID taz ■ Die Einweihung von Großprojekten kurz vor Wahlen hat noch immer die Sympathiewerte steigen lassen. Das weiß auch Spaniens konservative Regierung von José María Aznar. Was käme da gelegener als die Eröffnung der modernsten Hochgeschwindigkeits-Zugstrecke Europas? Letzte Woche – zwei Monate vor den Kommunal- und Regionalwahlen – sollte es so weit sein. Doch statt einer prunkvollen Jungfernfahrt gab es eine knappe Erklärung aus dem Ministerium für öffentliche Arbeiten: Die Eröffnung der 481 Kilometer langen Strecke von Madrid über Zaragoza ins nordostspanische Lleida muss mindestens vier Monate verschoben werden.

Wann der Zug nach Barcelona und von dort an die französische Grenze rauscht, weiß keiner. Schuld sind Pannen bei den Probefahrten. Zweimal blieb der Zug stehen. Die Oberleitungen waren durchtrennt. „Sabotage“, hieß es aus dem Ministerium. „Technische Mängel“ an dem 25.000 Volt führenden Oberleitungssystem, erklärten kurz darauf die Bahn-Techniker. Spontane Entladungen haben demnach das Kabel durchgeschmort. Als dann auch noch ein Stück des Gleisbettes wegbrach, war der Skandal perfekt. Der Präsident des staatlichen Unternehmens für die Infrastruktur der Bahn (GIF) nahm seinen Hut.

Aber auch ohne Pannen wäre die Einweihung der 4,2 Milliarden Euro teuren Strecke wenig prunkvoll ausgefallen. Der bis zu 350 Stundenkilometer schnelle neue spanische Hochgeschwindigkeitszug (AVE) ist der modernste seiner Art. Bis heute aber ist etwa das Signalsystem nicht einsatzbereit. Die italienische Firma Ansaldo-Signal gibt zu, dass sie mindestens noch vier Monate braucht, bis dieTechnik arbeitet. Im Ministerium war dies bekannt. Um das Einweihungsfoto vor den Wahlen hinzubekommen, sollten erst einmal normale Züge fahren.

An den Verzögerungen beim Bau ist auch die Vertragspolitik des Ministeriums schuld. Die Aufträge wurden weit gestreut, anstatt – wie einst 1992 bei der ersten AVE-Strecke von Madrid nach Sevilla – einigen Großunternehmen den gesamten Bau zu überlassen. Selbst bei den Zügen verfolgen die Konservativen diese Politik. So werden künftig zwei Modelle auf der neuen Strecke rollen. Zum einen ist dies der neue ICE von Siemens. Zum anderen entwickelt das spanische Unternehmen Talgo einen eigenen Hochgeschwindigkeitszug, in der Hoffnung, diesen später auch zu exportieren.

Die neue Strecke droht jetzt ein wirtschaftliches Desaster zu werden. Der AVE soll vor allem der Luftbrücke zwischen den beiden Wirtschaftszentren des Landes, Madrid und Barcelona, Konkurrenz machen. Ende 2004 sollte es so weit sein. Auch dieser Zeitplan ist kaum einzuhalten. Mancherorts ist noch nicht einmal die Streckenführung geklärt. An mehreren Stellen haben Gemeinden und durch Enteignungen Betroffene gegen die Bahn geklagt. REINER WANDLER