Vorrunde als Fallstrick

Mit Serbien-Montenegro wartet bei der Handball-EM in Slowenien heute gleich ein äußerst schwerer Gegner auf die deutschen Vizeweltmeister, die hoffnungsvoll, aber realistisch ins Turnier gehen

AUS KOPER ANKE BARNKOTHE

Ohne Stefan Kretzschmar und Frank von Behren reiste die Handballnationalmannschaft am Dienstag nach einer von starken Leistungsschwankungen gekennzeichneten Vorbereitungsphase zur Europameisterschaft nach Slowenien ab. Hier trifft sie heute zum Vorrundenauftakt im Adriaküstenort Koper auf Serbien und Montenegro (20.30 Uhr, DSF).

Davon, dass man auf den Publikums- und Medienmagneten vom SC Magdeburg würde verzichten müssen, war nach dessen Leistenoperation auszugehen gewesen. Dennoch ein herber Verlust für das Team, zumal sich Kretzschmar in der Bundesliga in dieser Saison nicht nur auf seiner Position, Linksaußen, sondern auch als Alternative im mittleren Rückraum besser denn je präsentiert hatte. Darüber hinaus spielt er innerhalb des Nationalteams eine wichtige Rolle im Mannschaftsgefüge.

Dass Trainer Heiner Brand, nun auch noch ohne seine zweite medienwirksame Handballgröße, den rastagelockten Frank von Behren, der bereits bei der WM im letzten Jahr in Portugal aufgrund eines Kreuzbandrisses fehlte, auskommen muss, kam sehr überraschend. Der Rückraumspieler, der im Sommer endlich den überfälligen Schritt aus der handballerischen Heimat Minden zum VfL Gummersbach gewagt hatte, verzichtete nach den beiden letzten Testspielen gegen Russland freiwillig auf seine EM-Teilnahme. Heiner Brand gelang es nicht, den 27-Jährigen umzustimmen, da dieser nicht glaubt, der Nationalmannschaft in seiner derzeitigen Form helfen zu können – von Behren hatte Anfang November erneut eine Prellung am operierten Knie zurückgeworfen.

Doch Heiner Brand wäre nicht Heiner Brand, würde er sich allzu lange mit Verletzungen und Ausfällen einzelner Spieler oder gar Ergebnissen von Vorbereitungsspielen aufhalten. Warum auch, schließlich steht ihm mit Zerbe, Baur und Stephan der Rückraumblock des deutschen Meisters TBV Lemgo plus Kreisläufer Schwarzer und Rechtsaußen Kehrmann komplett zur Verfügung. Des Weiteren kann Brand mit Jansen, Grimm und Schöne auf drei zwar eher unspektakulär, aber in der Bundesliga überaus effektiv agierende Außenspieler zählen und hat mit den 23-Jährigen Hens (HSV Hamburg) und Zeitz (THW Kiel) mehr als nur gute Alternativen für den Rückraum. In erster Linie für die Stabilität der Abwehr zuständig sind Klaus-Dieter Petersen (319 Länderspiele) und Mark Dragunski. Und dass die Qual der Wahl auf der Torwart-Position nun noch etwas steigt, da hinter Henning Fritz und Christian Ramota noch Christian Lichtlein aus Großwallstadt heranreift, wird den Bundestrainer zusätzlich positiv stimmen.

Brand warnt jedoch vor all zu großen Erwartungen und der Rechnung, dass die Handballer nach dem jeweiligen Silbermedaillengewinn bei der letzten EM 2002 in Schweden und der WM in Portugal nun endlich einmal Gold gewinnen müssten. Zunächst einmal muss die Vorrunde gegen Serbien-Montenegro, Frankreich und Polen überstanden werden. Keine leichte Aufgabe, zumal sich die beiden erstgenannten Teams bereits im Vorfeld in bester EM-Form präsentierten. Heiner Brand spricht besonders vom ersten Gegner, der ohne Perunicic, Jovanovic und Skribic anreist, voller Respekt: „Die spielen sehr diszipliniert und verfügen über zwei sehr gute Abwehrreihen. Die Mannschaft ist vielleicht gerade deswegen so stark, weil sie ohne die großen Stars spielen.“ Ein wenig weiter voraus blickt der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes Horst Bredemeier: „Wenn wir aus der Vorrunde mit 2:2 Punkten weiterkommen, werden wir auch gute Chancen haben, das Halbfinale zu erreichen“, sagt der ehemalige Bundestrainer angesichts der Aussicht auf leichtere Gegner in der Zwischenrunde.

Dennoch, die Konkurrenz ist groß und die europäische, die gleichzeitig die Weltspitze ist, sehr dicht beieinander. Getrost kann die Hälfte des Teilnehmerfeldes zu den Titelanwärtern gezählt werden und außer Serbien-Montenegro gehen zudem noch Schweden, Dänemark und Gastgeber Slowenien mit der besonderen Motivation ins Turnier, über die EM-Platzierung das letzte noch zu vergebende Ticket für die Olympischen Spiele in Athen zu erkämpfen. Aber wie resümierte Mannschaftskapitän Markus Baur, dem nichts lieber wäre als der EM-Titel, so schön: „Ich bin mir sicher, dass wir in Slowenien zu alter Stärke zurückfinden. Wir besitzen alle sehr viel internationale Erfahrung und uns ist allen bewusst, dass wir nur mit voller Konzentration unser Ziel erreichen können.“