Afghanistan neu verfasst

Nach langem Tauziehen billigt Große Ratsversammlung neue Verfassung. „Islamische Republik Afghanistan“ garantiert Religionsfreiheit und Gleichstellung der Geschlechter. Streit um Sprachen

KABUL afp/taz ■ Gut zwei Jahre nach dem Sturz der Taliban-Herrschaft hat die Große Ratsversammlung in Kabul Afghanistan gestern eine neue Verfassung gegeben und damit erstmals den Weg zu freien Wahlen geebnet. Nach dreiwöchigen teils zähen Verhandlungen verständigten sich die 502 Delegierten in mehreren Streitpunkten auf Kompromisse. Die „Islamische Republik Afghanistan“ verfügt von nun an über ein starkes Präsidialsystem, in dem der Islam als „heilige Religion“ gilt, gleichzeitig aber Religionsfreiheit gewährleistet ist. Bis zuletzt hatten die Delegierten darüber gestritten, ob die Sprache des Minderheitenvolks der Usbeken als dritte Amtssprache gleichberechtigt neben den bisherigen Staatssprachen Paschtu und Dari stehen soll.

Der neuen Verfassung zufolge gelten für Männer und Frauen gleiche Rechte und Pflichten. Das Zwei-Kammer-Parlament besteht aus dem Unterhaus, dem „Haus des Volkes“ (Wolesi Dschirga), und dem Oberhaus, dem „Haus der Ältesten“ (Meschrano Dschirga). Das Unterhaus soll von der Bevölkerung gewählt werden und hat das Recht, Ministerernennungen des Präsidenten abzusegnen und Amtsenthebungsverfahren gegen sie einzuleiten.

Der Verfassungskompromiss sieht vor, dass die Sprachen von Minderheiten in deren Hauptsiedlungsgebieten neben Paschtu und Dari den Status einer offiziellen Sprache erhalten. In den vergangenen Tagen hatten Delegierte die Befürchtung geäußert, die Forderung der Usbeken könne den Grundstein für einen föderalistischen Staat legen und Afghanistan spalten.

Im Streit um die Zahl der Vizepräsidenten konnten sich die Kritiker von Staatschef Hamid Karsai durchsetzen. Der Kompromiss sieht zwei Stellvertreter vor, einen mehr als im ursprünglichen Entwurf vorgesehen.

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