berliner szenen Enttäuschung einer Liebe

Das leere Handy

Die Rentnerin Ursel F. hatte den Tankwart Richard P. über eine Kontaktanzeige kennengelernt. F. hatte ihr Inserat im Berliner Abendblatt platziert, eine Zeitung die eine hohe Verbreitung verspricht, schließlich kommt sie umsonst in alle Briefkästen der Stadt. Die Stimme von P. klang angenehm am Telefon.

Seither kam der Tankwart regelmäßig mit einem BMW-Cabrio zu Ursel F. in die Reinickendorfer Hochhaussiedlung gefahren. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt sie. Erst nach einem halben Jahr hat sie herausgefunden, dass P. ihr einen falschen Namen und eine falsche Adresse genannt hat. Auch lebte er verheiratet mit seiner Frau in einem Haus in Brandenburg. Er war nicht geschieden, wie er behauptet hatte.

Ursel F. hat das allmählich herausgefunden. Zugegeben hat P. nichts. „Wer so viel lügt wie du, muss ein gutes Gedächtnis haben!“, sagte Ursel F. zu ihm, verlassen hat sie ihn nicht. Sie hat gewartet. Es hat lange gedauert. An vielen Tagen waren die Kassiererin im Supermarkt und die Nachbarin die einzigen Menschen, mit denen sie überhaupt ein Wort sprach. Sonst saß F. daheim auf der Couch, zupfte die Kissen. Sie wartete auf P.

Am Wochenende ist er wieder nicht gekommen. Erst Sonntagabend klingelte das Telefon. P. sagte, er sei beim Kegeln gewesen, jetzt müsse er zur Tankstelle, sein Funktelefon sei kaputt. Er fragte: „Bist du noch lieb?“

Gestern hat Ursel F. das alles in der Selbsthilfegruppe erzählt. Am Morgen hatte sie schon die Rose entsorgt, die sie einmal im Anflug von Liebesverlorenheit im Flur zum Trocknen aufgehängt hatte. Sie hat die Blume in einen Müllcontainer geschmissen, unten bei den Parkplätzen. Ihre Nachbarin sagt, Tankwart sei sowieso kein schöner Beruf.

KIRSTEN KÜPPERS