Demo gegen Abschiebung von Irak nach Iran

Die exiliranischen Volksmudschaheddin fordern heute vor der US-amerikanischen Botschaft Schutz für ihre militanten Anhänger im Irak. Der Verfassungsschutz bezeichnet die Oppositionsgruppe als undemokratisch und sektenartig

Die erste größere Demonstration des Jahres gehört nicht den Studenten, sondern iranischen Oppositionellen. Für 11.30 Uhr hat der Nationale Widerstandsrat Iran gegenüber der US-Botschaft zum bundesweiten Protestmarsch gegen die vom irakischen Regierungsrat verfügte Ausweisung der Volksmudschaheddin (MEK) aus dem Irak aufgerufen. Die Besatzungsmacht USA müsse den im Iran verfolgten Chatami-Gegnern weiterhin Asyl gewähren, fordert Javad Dabiran vom Nationalen Widerstandsrat in Berlin.

Das sieht die US-Regierung anders. Sie betrachtet die Volksmudschaheddin als terroristische Organisation. Die Mitte der 60er-Jahre gegründete Bewegung tritt für einen Sozialismus mit islamischen und stalinistischen Zügen ein. Die Mullahs im Iran verboten sie 1981 als „Gotteslästerer“ und lassen die Mitglieder einsperren oder hängen.

Das quittierten die MEK-Untergrundkämpfer mit Anschlägen und Attentaten von ihrer Operationsbasis im Irak. Dort leben schätzungsweise 5.000 von ihnen. Getreu dem Motto: „Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde“ hatten sie im Irak Saddam Husseins alle Mittel, den Iran zu piesacken. Die Briten erklärten sie gar zum Teil der irakischen Armee, die es zu bekämpfen gälte. Um keine schlechte Stimmung aufkommen zu lassen, unterzeichneten die Volksmudschaheddin gleich nach dem Einmarsch der US-Armee ein Waffenstillstandsabkommen. Vergeblich – am 9. Dezember 2003 wurde ihre Abschiebung in den Iran beschlossen.

Mitglieder und Sympathisanten leben auch in Europa. Der iranische Widerstandsrat, der sich als Dachverband der iranischen Opposition sieht, wird von den Volkmudschaheddin dominiert und fungiert als deren politischer Arm. Obwohl die Gruppe auch auf europäischen Terrorgruppenlisten steht und in Frankreich mit Versammlungsverbot belegt ist, muss sie in Deutschland noch keine Sonderauflagen erfüllen. Sie wird aber vom Verfassungsschutz beäugt und gilt als „streng hierarchisch aufgebaute, undemokratische Kaderorganisation“, die einen „sektenartigen Führerkult“ um ihren Leiter Massoud Rdjavi und seine Frau Maryam pflege und zu „erhöhter Gewaltbereitschaft“ neige.

Javad Darbin, der seit 1986 als politisch Verfolgter anerkannt in Deutschland lebt, sieht die MEK durch diese Vorwürfe diskreditiert. „Die Volksmudschaheddin haben nie zivile Ziele angegriffen“, behauptet er. Die Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH) habe sich für ihre Rechte eingesetzt und laut Genfer Konvention seien ihre Mitglieder als Zivilisten anerkannt, bekräftigt der distinguiert gekleidete Mann. Mit fundamentalistischen Gruppen wie den afghanischen Mudschaheddin habe man nichts gemein. Die Volksmudschaheddin kämpfe für ein Mehrparteiensystem, Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die Trennung von Staat und Religion. Die MEK sei keine terroristische Vereinigung, sondern eine Massenorganisation, schlichtweg die Opposition des iranischen Volkes.

Doch von den 7.000 Exil-Iraner, die in Berlin leben, bekennen sich laut Verfassungsschutz nur 20 zu den Volksmudschaheddin. 2002 reichte es nicht einmal zum Eintragung in den jährlichen Bestseller des Landesverfassungsschutzes. Dafür hatte die MET vor drei Jahren reichlich überregionale Presse, weil sie private und öffentliche Fürsorge-Millionen aus Deutschland in den Ausbau ihrer Armee im Irak gesteckt hatte.

Mit der heutigen Demonstration, die auch der Opfer des Erdbebens in Bam gedenken soll, melden sich die Volksmudschaheddin unter der Fahne des Nationalen Widerstandsrats in größerem Stile zurück. Man erwarte bis zu 4.000 Teilnehmer, erklärt Dabiran. Obwohl bundesweit nur 900 Mitglieder registriert sind, könnten mehr zusammenkommen. Üblicherweise spendiert der Widerstandsrat den Iranern, die in Flüchtlingsheimen leben, die Hin- und Rückfahrt.

ANNA LEHMANN