Bevormundung im Hightech-Paradies

Der malaysische Präsident unterbindet freie Nachrichtendienste im Internet – und die reguläre Presse sowieso

Malaysia ist nicht nur für günstige Hightech und tropische Landschaften bekannt, sondern auch für die schrille antiwestliche Rhetorik von Ministerpräsident Mahathir Mohamad. Der regiert mit harter Hand. Die Medien des südostasiatischen Landes werden gegängelt und immer wieder eingeschüchtert. Zuletzt wurden am Montag beim Online-Nachrichtendienst Malaysiakini („Malaysia jetzt“) fünf Server und 15 Personal Computer beschlagnahmt. Der Grund: Ein von Malaysias einzigem unabhängigem Tagesmedium veröffentlichter Leserbrief hatte den Unmut der Jugendorganisation der Regierungspartei Umno erzeugt.

Der Brief beklagte die Bevorzugung ethnischer Malayen (58 Prozent der Bevölkerung), die seit 1971 gegenüber der chinesisch- und indischstämmigen Minderheit (27 und 8 Prozent) gesetzlich verankerte Privilegien genießen. Die Umno-Jugend erstattete Anzeige wegen „Aufwiegelung“. Malaysiakini berief sich auf das journalistische Prinzip des Quellenschutzes und gab die Identität des Leserbriefautoren nicht preis. Darauf wurden die Computer beschlagnahmt.

Der überwiegend englischsprachige Onlinedienst war jedoch vorbereitet. Nur zehn Stunden nach der Beschlagnahmung war Malaysiakini dank eines Ersatzservers außerhalb der am Stadtrand Kuala Lumpurs gelegenen Redaktionsräume wieder am Netz (www.malaysiakini.com). In wenigen Tagen hofft die Redaktion mit Hilfe sympathisierender Leser wieder regulär arbeiten zu können.

Malaysiakini war 1999 von Journalisten gegründet worden, die der Selbstzensur regulärer malaysischer Medien überdrüssig waren. Die Regierung lizenziert seit 1984 alle Printmedien. Auch stehen ihr noch drakonische Gesetze aus der britischen Kolonialzeit zur Verfügung. Lizenzen werden nur für ein Jahr ausgestellt, womit die Regierung über ein wirkungsvolles Druckmittel verfügen. Herausgeber und Chefredakteure machen alles, um die Lizenz nicht zu verlieren. Ohnehin gehören die meisten Zeitungen Parteien aus der Regierungskoalition oder Geschäftsleuten, die Mahathir nahe stehen. Im internationalen Index zur Pressefreiheit 2002 von „Reporter ohne Grenzen“ liegt das Schwellenland Malaysia auf dem 110. Rang von 139 – noch hinter Afghanistan.

Malaysiakini-Chefredakteur Steven Gan arbeitete früher bei der Zeitung The Sun. Ein Artikel über den Tod von 59 Gastarbeitern in einem Abschiebelager war seinem Chef zu heikel. Gan wandte sich an eine Menschenrechtsorganisation, die den Bericht veröffentlichte. Deren Chefin Irene Fernandez steht deshalb seit Frühjahr 1996 vor Gericht. Ihr Verfahren ist inzwischen das längste in Malaysias Justizgeschichte (ausführlich dazu taz vom 21. 9. 2000).

Malaysiakini konnte bisher nur kritisch arbeiten, weil der Hightech-Fan Mahathir 1995 versprach, das Internet nicht zu zensieren. Damals verkündete er die Einrichtung eines „Multimedia-Superkorridors“, mit dem Investoren aus der Internetbranche angelockt werden sollen.

1999 startete die Malaysiakini mit der Entlarvung der Manipulation eines Fotos in einer malaysischen Zeitung. Die hatte ein Mahathir-Foto veröffentlicht, auf dem sein in Ungnade gefallener und verhafteter Exstellvertreter Anwar Ibrahim wegretuschiert worden war.

Malaysiakini-Chefredakteur Gan sagte am Montag nach dem dreieinhalbstündigen Verhör der Polizei: „Aufgrund der Art der Befragung gehe ich davon aus, dass sie letztlich auch gegen mich vorgehen werden. Ich bin auf alle Konsequenzen eingestellt.“ SVEN HANSEN

Die „Medialen Welten“ beleuchten in loser Folge kritisch internationale Medienpraxis und Pressefreiheit – auch da, wo alles in Ordnung scheint