Griechenland unterstützt Gazprom

Problem Energie: Die EU ist vom Kreml abhängig. Um dies zu ändern, muss man nationale Alleingänge meiden und höhere Preise akzeptieren

BRÜSSEL taz ■ Ganz egal, was Moskau in seinen ehemaligen Satellitenstaaten aufführt – der Gesprächsfaden zur Europäischen Union soll nicht abreißen. Wenn EU-Parlamentspräsident Pöttering, die französische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission das gebetsmühlenartig wiederholen, haben sie dabei die geologische Weltkarte im Kopf. Russland verfügt über die weltweit größten bekannten Gasvorkommen und gewaltige Ölreserven. Die EU deckt ein Viertel ihres Gasverbrauchs und 30 Prozent des Ölbedarfs mit Lieferungen aus dieser Region.

Der Krieg zwischen Russland und Georgien führt den Europäern schmerzhaft vor Augen, dass ihre Politiker sie in der Energiepolitik vom Regen in die Traufe manövriert haben. Die starke Abhängigkeit von Öllieferungen aus den Krisenregionen des Nahen Ostens sollte beendet werden. Doch statt auf alternative Energiequellen zu setzen, wurde Russland zum neuen Großlieferanten aufgebaut.

Obwohl die Mitgliedstaaten theoretisch erkannt haben, dass sie nur eine Chance im weltweiten Energiepoker haben, wenn sie geschlossen auftreten, betreiben sie praktisch weiterhin eine Politik der nationalen Eigeninteressen. Deutschland verfolgt mit dem russischen Partner Gazprom das Pipeline-Projekt durch die Ostsee und verprellt damit Polen und die baltischen Staaten.

Griechenland wiederum will einer Gazprom-Pipeline zustimmen, die durchs Schwarze Meer nach Bulgarien führen soll und damit georgisches Staatsgebiet ausspart. Die polnische Gazeta Wyborcza sieht darin einen „griechischen Treuebruch“, da das von der gesamten EU geförderte Nabucco-Projekt dadurch geschwächt werde. Es soll Gas von den Feldern am Kaspischen Meer auf dem Landweg über Georgien nach Europa bringen und damit die Abhängigkeit von russischen Lieferungen verringern.

Nationale Eigenbrödelei findet sich auch an vielen anderen Stellen: Nach wie vor gibt es kein gesamteuropäisches Energienetz, keine befriedigende Trennung von Netzen und Stromerzeugung, keinen europäischen Energieregulator und keine EU-Energiereserven.

Erst Anfang Juli einigten sich die EU-Finanzminister unter dem Druck der hohen Ölpreise widerwillig darauf, ihre nationalen Ölreserven wöchentlich zu veröffentlichen. Im Oktober will die EU-Kommission einen Vorschlag machen, wie das praktisch aussehen soll. Hin zu einer EU-weiten Ölreserve ist es aber auch dann noch ein weiter Weg. Beim Gas gibt es bislang in den meisten Staaten keine nationale Reserve. Gasunternehmen rechnen vor, dass sich durch die erzwungene Vorratshaltung die Kilowattstunde um 0,18 Cent verteuern würde. Doch die Verbraucher werden sich mit höheren Preisen abfinden müssen, wenn sie nicht riskieren wollen, bei der nächsten Kaukasuskrise im Dunkeln zu sitzen. DANIELA WEINGÄRTNER