„Phelps ist gegen jeden Delfin eine Kröte“

Der Olympiasieger Michael Groß kritisiert den Deutschen Schwimmverband und wundert sich, dass der Überschwimmer Michael Phelps nicht auch mal ein Rennen in den Sand setzt: „Fehler machen Menschen menschlich“

MICHAEL GROSS (44) gewann 1984 und 1988 drei olympische Goldmedaillen im Freistil und Schmetterling. Er ist Unternehmensberater.

taz: Herr Groß, der Deutsche Schwimmverband kann das erste Olympiagold seit 1992 bejubeln. Hat er doch alles richtig gemacht?

Michael Groß: Britta Steffen ist ein fantastisches Rennen geschwommen. Das ist aber allein der Erfolg von Britta Steffen, nicht der des DSV. Steffen war mit Paul Biedermann, der über 200 Meter Freistil persönliche Bestzeit geschwommen ist, die Einzige, die an ihre Leistung von den deutschen Meisterschaften herangekommen ist. Man muss sagen, dass sie ihre Leistung nicht wegen, sondern trotz des DSV gebracht haben.

Was hat der Verband falsch gemacht?

Zum einen die unmittelbare Wettkampfvorbereitung. Eigentlich qualifizierte Schwimmer eine interne Ausscheidung austragen zu lassen, ist Quatsch. Zum Zweiten ist die Saisonplanung zu statisch, zu unflexibel. Ein Paul Biedermann ist seit dem 13. Lebensjahr an Höhentrainingslager gewöhnt, andere haben das zum ersten Mal gemacht und kommen damit nicht zurecht. Drittens ist das System zu zentralistisch. Deutschland ist ein föderales Land. Das ist unsere Stärke. In Stuttgart, Berlin, Hamburg, überall sind Leute mit guten Ideen unterwegs. Doch das wird vom Verband in den letzten Jahren schlicht plattgemacht.

Wie kann sich das ändern?

Wenn in der freien Wirtschaft etwas dermaßen vor die Wand gefahren wird, dann werden die verantwortlichen Leute ausgetauscht.

Alles richtig gemacht hat Michael Phelps. Fasziniert er Sie?

Wenn man genau hinsieht, ein paar Frequenzen stoppt, dann sind die einzelnen Leistungen ziemlich nachvollziehbar. Erstaunlich ist vor allem die Regenerationsfähigkeit. Was der hier für ein Programm durchzieht! Und das macht er ja nicht nur hier. Das hat er bei anderen Wettkämpfen auch schon gezeigt.

Sie meinen die Weltrekorde, die er im Stundentakt aufstellt.

Genau. Letztlich macht es einen Menschen menschlich, wenn er Fehler macht, Schwäche zeigt. Aber er zieht hier ein Programm durch, da sage ich Chapeau. Aber wie das funktioniert? Keine Ahnung.

Sie sind ratlos?

Vielleicht hat man ja die Möglichkeit, ein bisschen hinter die Kulissen zu schauen, um zu überprüfen, ob es rationale Erklärungen gibt, um auch allen möglichen Gerüchten nachzugehen.

Sie denken an Doping?

Egal, welche Gerüchte. Vielleicht macht Michael Phelps ja weiter und hat dann 20 Goldmedaillen. Das ist so weit entfernt von dem, was man sich bislang vorstellen konnte. Ich habe auch ein paar Rennen bei Olympischen Spielen in den Sand gesetzt. Und das ist ja auch ganz normal.

Die Schwimmparty in Peking wird doch recht unbeschwert gefeiert. Bei der Leichtathletik wäre so etwas wohl nicht mehr möglich.

Schwimmen ist nach wie vor eine Sportart, die anatomisch noch lange nicht an ihre Grenzen gestoßen ist, einfach weil die Menschen von Natur aus keine Schwimmer sind. Auch Michael Phelps ist gegen jeden frisch geborenen Delfin eine Kröte. Wenn wir uns in den 80er-Jahren angesehen haben, wie Mark Spitz geschwommen ist, das war eher putzig anzusehen. Deshalb würde ich den Leistungssprung im Schwimmen nicht sofort mit flächendeckendem Doping in Verbindung bringen.

Die deutschen Schwimmer sind nach ihren Leistungen keinen Verdächtigungen ausgesetzt.

Wenn man es ernst meint mit dem Thema Dopingbekämpfung, müsste man in Deutschland sagen: Zu Olympischen Spielen dürfen alle deutschen Meister – egal, wie gut sie im internationalen Vergleich sind. Da sind auch die Medien gefordert. Die sollten das Unwort „Olympiatourist“ aus ihrem Wortschatz streichen. Denn damit wird den Sportlern unterstellt, sie seien in einem Bereich schlecht, in dem man mit normalen Mitteln gar nicht besser sein kann.

INTERVIEW: A. RÜTTENAUER