Ethisches Wirtschaften kostet wenig

Antidiskriminierung: Firmen haben Kosten durch Gleichbehandlungsgesetz übertrieben

Seit vor zwei Jahren das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft trat, wettern Wirtschaftslobbyisten gegen Belastungen und bürokratische Überregulierung. Eine wissenschaftliche Kommission, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im vergangenen Herbst berufen hat, kommt jetzt zu anderen Ergebnissen: Danach liegen die „direkten Kosten“ des AGG nur bei rund 26 Millionen Euro pro Jahr. Eine Studie der von den Arbeitgebern unterstützten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (ISM) hatte im August 2007 behauptet, der Diskriminierungsschutz koste die Unternehmen 1,73 Milliarden Euro jährlich. Das AGG setzt vier EU-Richtlinien in deutsches Recht um. Ziel ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern. Das Gesetz war gegen den heftigen Widerstand von Wirtschaftsverbänden und Teilen der Unionsfraktion durchgesetzt worden.

Der am Mittwoch vorgelegte Bericht der Antidiskriminierungsstelle ist keine eigene Erhebung, sondern vorrangig eine Kritik an den unseriösen Erhebungsmethoden der ISM. Die Studie habe nur Großunternehmen befragt und sich auf Nordrhein-Westfalen beschränkt. Zudem sei die Befragung bereits im April 2007, wenige Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, abgeschlossen worden. „In einem so kurzen Zeitraum und mit nur 27 Expertengesprächen kann man keine seriösen Zahlen ermitteln“, sagt Kommissionsmitglied Heinrich Wilms von der Zeppelin University Friedrichshafen. Der Interviewkatalog, so der Juraprofessor, sei manipulativ. Auf die Frage: „Wie gehen Sie mit den zusätzlichen Belastungen um?“, kämen Antworten, die die Kosten überschätzen. Nur 1,5 Prozent der Summe sind nach seiner Schätzung angefallen, vor allem durch Schulungen. In den meisten Firmen betreibe man eher „minimalistischen Aufwand“, sagt Wilms – indem man zum Beispiel mit einem Hinweis auf das AGG im Intranet der Informationspflicht nachkommt.

Auch der Ökonom Birger Priddat, Präsident der anthroposophischen Universität Witten/Herdecke, vermisst bei der ISM-Untersuchung die „methodische Sorgfalt“. Es gehe nicht nur um die Kosten, sondern vor allem um den Nutzen eines ethischen Wirtschaftens. Für global agierende Unternehmen, die auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen seien, seien Maßnahmen etwa gegen ethnische Diskriminierung und die Strategie des Diversity-Managements „ein Wertschöpfungsvorteil und keine Marginalie“. Die vom Bund bestellte Wissenschaftlerkommission will demnächst eigene repräsentative Zahlen vorlegen, die die positiven Effekte des AGG in den Vordergrund stellen.THOMAS GESTERKAMP