Walkampf mit der Kanzlerin

Das größte Meeresmuseum Deutschlands ist in Stralsund an der Ostsee in Kooperation mit Greenpeace eröffnet worden. 7.000 lebende Fische und die größten Walmodelle weltweit sollen Besucher locken und diese vom Meeresschutz überzeugen

Das Ozeaneum liegt auf der Hafeninsel, Hafenstraße 11, 18439 Stralsund, ☎ 03831 / 26 50 - 677, www.ozeaneum.de oder www.greenpeace.de/riesen-der-meere. Geöffnet bis 30. September täglich von 9.30 bis 21 Uhr, von Oktober bis Ende Mai von 9.30 bis 19 Uhr. Eintritt: Erwachsene 14 Euro, ermäßigt 8; Kinder ab 4 Jahren 8 Euro; Familienkarte (2 Erwachsene und 1 Kind) 31 Euro, jedes weitere Kind 3 Euro; Gruppenpreise auf Anfrage. Es gibt auch Kombitickets mit dem deutschen Meeresmuseum in der Altstadt, Katharinenberg 14-20, 18439 Stralsund,☎ 03831 / 26 50 - 210, www.meeresmuseum.de. SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Das Monstrum ist runde 26 Meter lang und hat den Umfang eines Linienbusses. Blaugrau hängt der Riese aus Stahl, Styropor, Polyesterharz und Lack an Stahltrossen von der Decke der 20 Meter hohen Halle. Ein Blauwal, in monatelanger Arbeit in einer Werkhalle geschaffen von einem Dresdner Team von Figurenbauern. Etwa vier Tonnen wiegt das lebensgroße Modell – geradezu ein Leichtgewicht im Vergleich zu den gut und gerne 200 Tonnen eines lebendigen Blauwals, andererseits schwer genug, um die Statik der großen Ausstellungshalle im Ozeaneum in Stralsund nachhaltig zu belasten.

Zumal der Blauwal nicht alleine ist. Ein 15 Meter langes Buckelwalweibchen samt Kalb, ein 16 Meter langer abtauchender Pottwal im Kampf mit einem Riesenkalmar und ein sieben Meter langer Orca komplettieren das Ensemble „Riesen der Meere“. Geschaffen wurden sie auf Kosten von Greenpeace.

Runde 1,5 Millionen Euro lassen sich die Walschützer vom Hamburger Fischmarkt ihre Ausstellung in einer eigenen Halle im Ozeaneum kosten, dem größten Museumsneubau in Deutschland (siehe Text rechts unten). Für dessen Direktor Harald Benke sind die Umweltschützer als Partner erste Wahl gewesen. „Greenpeace hat vor drei Jahrzehnten mit dem Walschutz begonnen“, sagt er. „Niemand ist da kompetenter und glaubwürdiger.“

Am Freitag eröffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das ambitionierteste Projekt im Bundestagswahlkreis Stralsund-Rügen, dessen direkt gewählte Abgeordnete sie ist. „Hier kann man trockenen Fußes in die Unterwasserwelt eintauchen“, sagte die Kanzlerin originellerweise in ihrer Ansprache zur Einweihung vor etwa 300 geladenen Gästen. „Mit diesem Ort der Emotionen, Bildung und Forschung wird das internationale Renommee des Deutschen Meeresmuseums weiter wachsen“, versicherte sie.

Es würden aber nicht nur die Glanzwelten, sondern auch die Gefahren gezeigt, die den Meeren und ihren Bewohnern drohten. Von einem „Leuchtturm für Wissenschaft, Kultur und Tourismus“ schwärmte der SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff.

Etwa 60 Millionen Euro kosten die vier weißen Hallen, die zwischen sanierten Backsteinspeichern auf der Stralsunder Hafeninsel in dreijähriger Bauzeit errichtet wurden. Die Hälfte der Kosten trägt der Bund, ein gutes Viertel das Land, den Rest teilen sich die Stadt und die Stiftung Deutsches Meeresmuseum. Denn diese Einrichtung im Unesco-geschützten Zentrum der Hansestadt Stralsund, vor der Wiedervereinigung das größte und meist besuchte Naturkundemuseum der DDR, ist die Mutter des jetzt neu eröffneten Ozeaneums. „Wir mussten was tun und uns weiterentwickeln“, sagt Benke. „Die Leute wollen heute mehr sehen als tote Tiere in Vitrinen.“

Und das bekommen sie in dem Neubau direkt an der Ostsee mit unverbaubarem Blick auf die Inseln Rügen und Hiddensee in der Tat geboten. Auf 8.700 Quadratmetern Fläche bieten 39 Aquarien Einblicke in die Meereswelt von Nord- und Ostsee und Nordatlantik. Etwa 7.000 Fische und sonstige Meereslebewesen sind zu sehen, wenngleich das größte Aquarium, das acht Meter tiefe Schwarmfischbecken mit einer Grundfläche von 300 Quadratmetern und einer fünf mal zehn Meter großen Panoramascheibe, nicht rechtzeitig zur Eröffnung fertig wurde. Es wird erst mit einigen Tagen Verspätung befüllt werden.

In einem Ebbe- und Flutbecken wird das Leben im Wattenmeer anschaulich gemacht und ein Tunnelaquarium, in dem die BesucherInnen zwischen und unter den Fischen durchgehen, darf nicht fehlen. Obwohl Benke, der Meeresbiologe und Walexperte, das eigentlich für „Spielkram“ hält: „Aber die Besucher wollen so was und wir brauchen die Besucher. Also bieten wir es ihnen.“

Benke will auch das Vorurteil zerstreuen, dass nur in der Südsee oder im Roten Meer die Fische bunt sein. „Der Schriftbarsch ist bunt wie der Korallenfisch“, sagt der Meeresforscher. Auch der rote Knurrhahn mit seinen tiefblau glitzernden Brustflossen sei ein Farbfleck in den Meeren der nördlichen Erdhalbkugel. Auch die erst vor wenigen Jahren entdeckten Tiefwasserriffe der Kaltwasserkorallen im Nordatlantik zwischen Norwegen und Marokko können es mit dem Farbenreichtum der pazifischen Riffe durchaus aufnehmen.

Benke und seine 45 Mitarbeiter sehen sich als Anwalt der Meere: „Indem wir die Schönheit zeigen, wollen wir die Besucher auch für die Gefahren sensibilisieren.“ Deshalb werden auch die Folgen von Überfischung, Verschmutzung oder Klimawandel in Ausstellungen „auf wissenschaftlicher Grundlage und stets aktuell“ dokumentiert.

600.000 Gäste braucht das Ozeaneum pro Jahr, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Denn für den laufenden Betrieb gibt es keine öffentlichen Zuschüsse. Bisher konnten noch nicht alle Pläne umgesetzt werden. Die Pinguinanlage existiert zurzeit nur auf dem Papier. Realisiert werden könne sie nur mit Sponsorenhilfe, sagt der Marketingchef des Ozeaneums, Jens Oulwiger. In zwei Jahren könnte die Südpol-Landschaft fertig gestellt sein, hofft er. Sie soll auf der Dachterrasse einer der Hallen entstehen – damit die Pinguine die Ostsee aus der Vogelperspektive sehen können.

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