Malaysia: Flucht in die Botschaft

Oppositionsführer Anwar Ibrahim erneut der Homosexualität bezichtigt

BANGKOK taz ■ Malaysias Oppositionsführer Anwar Ibrahim ist in die türkische Botschaft in Kuala Lumpur geflüchtet. Zuvor hatte ein 23-jähriger Mitarbeiter ihm einen homosexuellen Übergriff vorgeworfen. Er habe Morddrohungen erhalten, so Anwar gestern. Lokale Medien berichteten weiter, er rechne mit seiner Festnahme. Der Oppositionsführer bezeichnete die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als „absurd“. Er sieht darin ein erneutes Komplott, um ihn politisch kaltzustellen. Anwars Gerechtigkeitspartei berichtete, der 23-jährige Mitarbeiter sei zu den Falschaussagen gezwungen worden.

Bereits vor zehn Jahren war der damalige Vizepremier Anwar unter dem Vorwurf der Korruption und Homosexualität gefeuert und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Die Prozesse galten als politisch motiviert, da sich Anwar mit Regierungschef Mahathir Mohamad überworfen hatte. Das Urteil wegen Homosexualität wurde 2004 überraschend aufgehoben, offenbar auf Betreiben der jetzigen Regierung von Premier Abdullah Badawi. Im September desselben Jahres wurde Anwar aus dem Gefängnis entlassen.

Abdullah erklärte gestern, seine Regierung habe mit der ganzen Sache nichts zu tun. Doch dass jetzt wieder Vorwürfe gegen den 60-jährigen Oppositionspolitiker laut werden, dürfte kein Zufall sein. Erst kürzlich hatte Anwar erklärt, er habe genug Anhänger, um die Regierung zu stürzen. Er warte nur auf den richtigen Moment.

Anwar gilt als Integrationsfigur, seitdem er es geschafft hatte, die bis dato zersplitterte Opposition zu einigen. Seiner Gerechtigkeitspartei war gelungen, die säkuläre, von Chinesen dominierte Democratic Action Party (DAP) sowie die Islamistische Partei Malaysias (PAS) an einen Tisch zu bekommen. Bei den Parlamentswahlen vom März hatte das neue Bündnis einen riesigen Erfolg: In dem 222 Sitze umfassenden Parlament konnten sich die drei Parteien von 19 auf 82 Sitze steigern. NICOLA GLASS