Der perfekte Pass

Die Spanier spielten beim 4:1-Erfolg gegen Russland variablen und vor allem: eiskalten Konterfußball

INNSBRUCK taz ■ Es war der Beitrag von Joan Capdevila, der Spaniens Identitätswandel einleitete: Er spielte den ersten mitreißenden Steilpass über 30 Meter, Fernando Torres lenkte den Ball zu David Villa: 1:0. Der Pass war einer der vielen unscheinbaren Gründe, warum Spanien eine Alternative für den EM-Sieg ist.

Die Spanier spielten beim 4:1 gegen Russland, anders als üblich, eiskalten Konterfußball. Dabei blieb nicht verborgen, dass sie ohne Ball nichts sind. Aber das verblasste angesichts ihrer neuen Konterstärke. Variabel spielen ist der Modeausdruck des Moments. Er gehört ihnen.

„Junge, wir wissen, wie das bei so einem Turnier abläuft“, sagte Capdevila, „ein Fehler und ab nach Hause.“ Wie wenig ein schönes Resultat bei einer EM hilft, davon kann niemand besser als Spanien erzählen, das seit 44 Jahren tolle Aufführungen liefert, um danach auszuscheiden. Doch Luis Aragonés’ Team ist in Schönheit gereift. Der 69-Jährige hatte 2004 den totalen Ballbesitz ausgerufen. Doch erst im Herbst 2006 schuf er klare Strukturen. Er warf Raúl raus. Die Mittelfeldspieler Xavi Hernández und Andrés Iniesta vom FC Barcelona wurden seine Fixpunkte. Sie stehen für das Passspiel.

Heute wird über David Villa und seine drei Tore gegen Russland geredet; es wird immer über jemand anderen als Xavi geredet. Obwohl kaum einer in kaum einem Team dominanter spielt. Gegen Russland spielte er 68 Pässe, 30 mehr als jeder andere, 86 Prozent erreichten ihr Ziel. „Xavi?“, sagte Capdevila. „Spielte wie eine Hurenmutter.“ Ein Ausdruck der Wertschätzung.

Wenn die Spieler sagen, was der Trainer denkt, hat er sie erreicht, und die Spanier hörten sich vor der EM alle gleich an. „Passen, nur um zu passen, gefällt mir nicht“, sagte Xavi. „Der Schlüssel ist, schnell zu passen“, sagte Xabi Alsono. Es war Aragonés’ Besessenheit: Ihr Spiel brauchte eine neue Schnelligkeit. Sie fanden den perfekten Konter. RONALD RENG