Sozis an der Saar wollen sich alles offenhalten

Die Sozialdemokraten im Saarland überlegen, wie sie bei der Landtagswahl die CDU ablösen können – auch eine Koalition mit der Linken schließen sie nicht kategorisch aus. Und das, obwohl die mit SPD-Aussteiger Lafontaine antritt

FRANKFURT taz ■ Alles war Ketchup. Damals, als im Restaurant Tomate am Schlossplatz in Saarbrücken ein paar frustrierte Sozialdemokraten nach der Landtagswahl 2004 beim Rotwein saßen. Denn die Union mit Ministerpräsident Peter Müller als Frontmann war von den Saarländern gerade mit der absoluten Mehrheit der Landtagsmandate ausgestattet worden.

„Das wird nicht noch einmal passieren“, sagt Thorsten Bischoff, Partei- und Fraktionssprecher der Saar-SPD, knapp vier Jahre später in der Tomate. Denn in keiner Umfrage der letzten Monate im Zusammenhang mit der Landtagswahl 2009 habe die Union noch die absolute Mehrheit prognostiziert bekommen. Und auch zusammen mit der FDP, der Anfang März 6 Prozent prophezeit wurden, reiche es für Müller nicht mehr zur Regierungsbildung. Hessische Verhältnisse also demnächst auch im Saarland? „Schön wäre es – eigentlich“, sagt Bischoff. Auch eine Antwort.

Schön nämlich wäre es für die SPD an der Saar, wenn die Linke dort – wie in Hessen vor der Wahl – auch mit nur rund 5 Prozent gehandelt und dann nach der Wahl mit 5,1 Prozent dastehen würde. Und die SPD mit stolzen 37,1 Prozent. Doch die Genossen an der Saar haben es mit einer Linken zu tun, die vom ehemaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten des Saarlandes und einst gefeierten Landes- und Bundesvorsitzenden der SPD in den Wahlkampf geführt werden wird: Oskar Lafontaine. 19 Prozent werden der Linken zugetraut. Die SPD rangiert bei 25 Prozent, die Union ist mit 40 Prozent stärkste Partei, und die Grünen bekämen 7 Prozent.

Ohne Lafontaine, glaubt Bischoff zu wissen, wäre die Linke auch an der Saar nur so stark – oder schwach – wie überall sonst im Westen. Aber mit Lafontaine, der im Saarland fast schon „Heiligenstatus“ genieße, sei die Linke ein ernst zu nehmender, wenn auch nicht ernsthafter Konkurrent um Platz zwei bei der Landtagswahl im nächsten Jahr.

Keine Hessischen Verhältnisse also. Aber „von Hessen lernen“ will die Saar-SPD schon. Sie will Lehren ziehen aus dem Debakel der Genossen in Wiesbaden.

In der Parteizentrale konstatiert Landesparteichef Heiko Maas mit Blick auf Hessen, dass man vor einer Wahl „mit dem Ausschließen von Koalitionspartnern vorsichtig sein“ müsse, vor allem in einem Fünfparteiensystem. Und wenn man sich doch dazu entschließe, eine Partei auszugrenzen, müsse man sich nach der Wahl auch daran halten. Maas schließt nichts aus. Und schon gar nicht ein Bündnis mit der Linken, ohne die das erste Wahlziel der SPD – die Ablösung der „saft- und kraftlos gewordenen CDU von Müller“ – nicht zu realisieren ist. Eine große Koalition an der Saar kann sich Maas nicht vorstellen.

Der SPD geht es jetzt erst einmal darum, den zweiten Platz hinter der CDU zu sichern. „Wir müssen uns inhaltlich offensiv mit der Linkspartei auseinandersetzen, denn Dämonisieren nützt doch nur denen“, so Maas. Was Maas auf keine Fall will: Mit seiner SPD Juniorpartner der Linken werden – oder gar Vize unter einem Ministerpräsidenten Lafontaine. Das schließt er definitiv aus. Und mit der Linken koalieren? Maas: „Dazu werde ich mich äußern, wenn klar ist, mit welchem Programm und mit welchen Personen die Linke antritt.“

Die Linke tritt mit Lafontaine als Spitzenkandidat und Anwärter auf das Ministerpräsidentenamt an, wie von der Linken Saar bestätigt wird. Gegenüber der taz erklärte allerdings Lafontaine schon vor Wochen, dass er nicht als Vize unter Maas dienen werde: „Da bleibe ich lieber im Bundestag.“

Maas wird also an zwei Fronten kämpfen müssen: Gegen Müller sowieso – und gegen seinen Ziehvater Lafontaine. Dass diese Polarisierung im Wahlkampf den kleinen Parteien FDP und Grüne das Genick brechen könnte, wird bei der SPD „nicht ausgeschlossen“. In einem Dreiparteienparlament aber steht die SPD vor einer Grundsatzentscheidung: große Koalition – und die Linke als einzige Oppositionspartei? Oder Rot-Rot gegen die Union? Die große Koalition hat Maas ja eigentlich ausgeschlossen – eigentlich, aber nicht definitiv.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT