Malaiien gegen Inder und Chinesen

Die vorgezogenen Neuwahlen im asiatischen Vielvölkerstaat Malaysia werden an der ethnischen Ausrichtung der Politik des Landes ebenso wenig ändern wie an den Machtverhältnissen. Vorsorglich knebelt die Regierung oppositionelle Stimmen

Das politische System ist darauf gepolt, die Macht der Regierung zu zementieren

VON NICOLA GLASS

Singen ist „in“ in Malaysia: Nahezu jede der rund 20 Parteien und Gruppierungen, die sich am Samstag um die 222 Sitze im Parlament bewerben, hat ihren eigenen Wahlkampfsong komponiert. Vor allem die United Malays National Organisation (Umno), die seit der Unabhängigkeit Malaysias vor 51 Jahren ununterbrochen regiert und die Regierungskoalition Nationale Front anführt, lässt Fahnen schwenken und beschwört in ihrer Kampagne den Geist der Einigkeit.

Von Einigkeit jedoch ist in Malaysia in Wirklichkeit nicht viel zu spüren. Angesichts drastisch gestiegener Preise für Lebensmittel und Rohstoffe, ausufernder Korruption und der wachsenden Kluft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ist die Zustimmung für die Regierung unter Premier Abdullah Badawi deutlich gesunken. Die Angehörigen der chinesischen und indischen Minderheiten kritisieren, dass Malaysias Politik die Malaien, die größte ethnische Gruppe des Landes, seit Jahrzehnten bei der Vergabe von Geldern und Jobs bevorzugt. Als vor kurzem indische Gruppen dagegen auf die Straße gingen, wurden die Demonstrationen gewaltsam auseinandergetrieben.

Das Image der Regierung ist nicht erst seit diesem Vorfall angeschlagen. Eigentlich wären die nächsten Parlamentswahlen im März 2009 fällig gewesen. Aber die Umno fürchtete, sie könnte bis dahin noch mehr an Zustimmung verloren haben und zog die Wahlen vor. Bei der letzten Wahl im Jahr 2004 gewann die Nationale Front 90 Prozent aller Sitze. Dass sich dieses Traumergebnis wiederholen lässt, glaubt allerdings niemand. Premier Badawi gibt sich im Wahlkampf dennoch optimistisch: „Ich will freie und faire Wahlen, wir rechnen mit einer Zweidrittelmehrheit“, versichert er.

Von frei und fair kann jedoch keine Rede sein. Ein Sieg der Regierungskoalition ist auch deshalb so gut wie sicher, weil das gesamte politische System darauf ausgerichtet ist, die Macht der Regierung zu zementieren. Das Fernsehen sowie fast alle Zeitungen seien Sprachrohre der Regierung, schimpfen Kritiker, die Wahlgesetze öffneten der Manipulation durch die Regierung Tür und Tor. Während Premier Badawi erst vor wenigen Tagen vor 20.000 Anhängern sprach, untersagte die Polizei der Opposition wiederholt ähnliche Großveranstaltungen.

„Wieder einmal zeigt sich, dass bei Wahlen in Malaysia höchst unfair mit der Opposition umgegangen wird“, sagt Elaine Pearson, stellvertretende Asienchefin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die massive Einschränkung des Versammlungsrechts und der Redefreiheit und der mangelnde Zugang zu kritischen Medien machten einen demokratischen Urnengang unmöglich.

Ähnlich sieht es Steven Gan, Chefredakteur der regierungskritischen Onlinezeitung Malaysiakini, die anlässlich der Wahlen ihre Internetseite auch für Nichtabonnenten freigeschaltet hat. Die sogenannten Mainstream-Medien, die alle direkt oder indirekt der herrschenden politischen Elite unterstehen, „dürfen höchstens die unbedeutenderen Regierungsvertreter kritisieren, aber niemals die Leute an der Spitze“, sagt Gan.

Im November gingen in Kuala Lumpur Zehntausende für eine Reform des Wahlrechts auf die Straße. Aufgerufen hatte das Bündnis für saubere und faire Wahlen (Bersih). Dem Bündnis gehören Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen sowie Oppositionsparteien an, darunter die Gerechtigkeitspartei, der Exvizepremier Anwar Ibrahim angehört.

Die Popularität Anwars ist ein weiterer Grund für den vorgezogenen Wahltermin. Malaysias wohl charismatischster Oppositionspolitiker wird damit ausgebootet. Denn bis Mitte April dieses Jahres ist es Anwar untersagt, ein offizielles politisches Amt auszuüben. „Der Wahltermin wurde extra so gelegt, damit ich nicht teilnehmen kann“, kritisierte Anwar öffentlich. Anwar war Finanzminister, bis er sich 1998 mit dem damaligen Premier Mahathir Mohamed überwarf. Er wurde gefeuert und in einem Verfahren wegen angeblicher Korruption und Homosexualität zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Im September 2004 kam er frei, nachdem Richter die Anklage wegen Homosexualität überraschend aufgehoben hatten.

Für die zersplitterte Opposition besteht derzeit kaum eine Chance, die Macht der Umno zu brechen. Allerdings könnte es Anwar langfristig gelingen, die rivalisierenden Kräfte zu bündeln. Neben Anwars „Gerechtigkeitspartei“ zählen zu den wichtigsten Oppositionsparteien die chinesich dominierte Democratic Action Party (DAP) und die Islamistische Partei Malaysias (PAS). Eine neue Allianz wurde bereits geschmiedet: So einigten sich die DAP und Anwars „Gerechtigkeitspartei“ darauf, in verschiedenen Wahlbezirken nur jeweils einen einzigen Kandidaten aufzustellen, um so eine inneroppositionelle Konkurrenz zu vermeiden. Die hatte beide Parteien in der Vergangenheit Wählerstimmen gekostet und so der Umno in die Hände gespielt.

Auch haben verstärkt Vertreter von Bürgerrechtsgruppen und Nichtregierungsorganisationen ihre Kandidatur angemeldet. „Es ist Zeit, die Bedürfnisse der Zivilgesellschaft auf die Agenda zu heben“, sagt Yap Swee Seng von der Menschenrechtsvereinigung Suaram. „Wir müssen den Menschen eine Alternative zu der staatlich verordneten Version bieten, die von den Mainstream-Medien verbreitet wird“.