EU-Mission der Korruption bezichtigt

KOSOVO Mitarbeiter der Eulex sollen Strafverfahren gegen Geld fallen gelassen haben. Die führende kosovarische Zeitung „Koha Ditore“ wirft der Mission Einschüchterungsversuche und Pressezensur vor

SARAJEVO taz | Journalisten wurden an diesem Wochenende eingeschüchtert, eine Mitarbeiterin der Eulex-Rechtsstaatsmission im Kosovo, die Korruptionsfälle innerhalb der Eulex aufdeckte, wurde gefeuert. Die bislang aus mehr als 2.000 Mitarbeitern bestehende Eulex-Mission im Kosovo, die 2008 von der EU eingesetzt wurde, um die Korruption in dem Land zu bekämpfen, ist jetzt selbst wegen Korruption in die internationale Kritik geraten.

Agron Bajrami, Chefredakteur der kosvarischen Tageszeitung Koha Ditore, erklärte am Wochenende, Zensur und Erpressung von interessierter Seite habe er zwar schon oftmals erlebt, doch vonseiten internationaler Institutionen bisher noch nie. Sein Mitarbeiter Vehbi Kajtazi sei nach dessen kritischen Berichten über die Mission direkt von Eulex-Mitarbeitern bedroht worden. Der Hauptberater der Mission habe ihm persönlich Konsequenzen angedroht.

Der investigative Journalist hatte zunächst nur über die Dokumente der ehemaligen britischen Staatsanwältin Maria Bamieh berichtet, die zu Beginn vergangener Woche ihre Chefs der Korruption bezichtigt hatte. Bamieh hatte erklärt, dass die Tschechin und oberste Staatsanwältin Jaroslava Novotna und der Italiener Francesco Florit, ein Sprecher der Richter in der Eulex, 2012 und 2013 gegen Geld Anschuldigungen gegen bestimmte Personen niedergeschlagen hätten. Allein Florit soll nach den Unterlagen von Bamieh eine Summe von 350.000 Euro erhalten haben. Ein anderer Mitarbeiter habe versucht, interne Untersuchungen der Eulex zu blockieren, gab die Britin weiter preis.

Dem Chefredakteur stößt auf, dass der Chef der Eulex-Mission, Gabriele Meucci, daraufhin nicht die Beschuldigten, sondern sofort die „Whistleblowerin“ Bamieh entlassen und zudem erklärt habe, die „Anschuldigungen würden sehr ernst genommen“.

So ernst offenbar, dass Druck auf die lokale Presse ausgeübt werden musste. Kajtazi sollte nach dem Willen von Offiziellen die ihm vorliegenden und zugespielten Dokumente der Mission übergeben. „Indem man einen Journalisten bedroht, wird offensichtlich, dass die Eulex-Mission alle fundamentalen Prinzipien der Europäischen Union in Bezug auf die Pressefreiheit verletzt“, erklärte der Generalsekretär der Reporter ohne Grenzen, Christophe Deloire.

Bei den von den Eulex-Mitarbeitern gedeckten Personen handelt es sich offenbar um hochrangige Mitglieder der Regierungspartei PdK des Ministerpräsidenten Hashim Thaci. Justizminister Rahmil Limani hatte die damals Beschuldigten mehrmals vor ihrer Freilassung im Gefängnis besucht, behaupten Kommentatoren der Bewegung Selbstbestimmung.

Die alten Kameraden der ehemaligen Befreiungsorganisation des Kosovo UCK hielten offenbar eng zusammen. Die Eulex-Mission habe ein anschauliches Beispiel dafür gegeben, wie die europäischen Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit von hochbezahlten korrupten Mitarbeitern ad absurdum geführt werden. Sprecher der Eulex in Brüssel und Prishtina erklärten lediglich, die Korruptionsvorwürfe würden untersucht.

ERICH RATHFELDER