Not macht erfinderisch

ARBEITSKAMPF Tausende Kitas und Horte bleiben dicht, weil das Personal streikt. Eltern sind solidarisch – wollen aber ihre Beiträge zurück

Die Städte sehen sich oft nicht in der Verantwortung, Notfallplätze zu organisieren

VON HELKE ELLERSIEK
UND ANNA LEHMANN

KÖLN/BERLIN taz | Das Tor der Kölner Kita am Venlowall blieb am Montagvormittag fest verschlossen, in der benachbarten Einrichtung hatte eine Handvoll Kinder viel Platz zum Spielen. Bilder, die auch in den nächsten Tagen zum Alltag gehören werden. Die Gewerkschaften Verdi und Erziehung und Wissenschaft haben ihren unbefristeten Arbeitskampf am Montag auf alle Bundesländer ausgeweitet. Nach Angaben der Gewerkschaften beteiligten sich zu Wochenbeginn 40.000 ErzieherInnen und SozialpädagogInnen an den Ausständen, Tausende Kitas waren betroffen.

Die Gewerkschaften fordern von den kommunalen Arbeitgebern rund zehn Prozent mehr Lohn – eine Forderung, der die Kommunen auch nach fünf Verhandlungsrunden nicht entgegengekommen waren. Die Gewerkschaftsmitglieder hatten daher in der vergangen Woche für Streik votiert.

Allein in Nordrhein-Westfalen blieben am Montag 1.000 Einrichtungen geschlossen, das Bundesland ist damit ein Zentrum des Streiks. Die Stadt Köln stellt zwar Notfallplätze in anderen Einrichtungen zur Verfügung – doch nur für Eltern, die überhaupt keine alternativen Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder finden.

Die Kölnerin Monique Amey-Özel nimmt ihre dreijährige Tochter in dieser Woche daher mit zur Arbeit. Sie arbeitet in einer Berufsschule als freiberufliche Lehrerin, mit dem Direktor habe sie abgesprochen, dass die Tochter sie begleiten kann. Zu Hause kann das Kind nicht bleiben, ihr Mann, der in einer Werkstatt arbeitet, bekommt keinen Sonderurlaub für die Kinderbetreuung.

Nancy Doppelfeld hat zwei der raren Notfallplätze für ihre Söhne bekommen. Allerdings hatte die Stadt Köln, die eine Hotline eingerichtet hat, daran kaum Anteil: „Diese Hotline war eine totale Katastrophe“, erzählt die Mutter. Bis Freitag hätten die Eltern von der Stadt erfahren sollen, ob sie einen Notfallplatz bekommen oder nicht. „Das wäre im Zweifel zu kurzfristig für einen Plan B gewesen.“ Sie hatte das Glück, dass eine Praktikantin aus ihrer bestreikten Kita in einer anderen Kita aushilft und ihre beiden Söhne dorthin mitnahm. „Das hat auch wunderbar geklappt“, so Doppelfeld.

Die Städte sehen sich oft nicht in der Verantwortung, die Notfallplätze zu organisieren, und sie tun es nicht selten nur widerwillig. „Wir sind die Bestreikten“, sagte eine Sprecherin der Stadt Köln der taz, „Wir sitzen mit den Eltern in einem Boot.“

Viele Eltern sehen das anders. Sie erklären sich überwiegend solidarisch mit den ErzieherInnen. Der Kölner Jugendamtselternbeirat hat die Mütter und Väter aufgefordert, sich der für Dienstag geplanten Verdi-Kundgebung vor dem Kölner Rathaus anzuschließen. „Die finanzielle Wertschätzung der täglichen Arbeit ist längst überfällig“, sagt Elternvertreter Attila Gümüs.

Dagegen haben viele Mütter und Väter kein Verständnis dafür, dass sie während des Streiks weiter Beiträge zahlen sollen. Während München den Eltern das Geld teilweise und Dortmund sogar vollständig erstattet, sieht sich die hochverschuldete Stadt Essen dazu nicht in der Lage. Eine Erstattung der Beiträge im Streikfall wäre eine „freiwillige Leistung“, heißt es auf der städtischen Webseite. Da die Stadt nur einen vorläufigen Haushalt führe, sei es derzeit untersagt, solche Leistungen zu zahlen.

Verdi ermuntert die Eltern dagegen, die Beiträge bei den Städten geltend zu machen: Die Chancen stünden rechtlich gut. Und den Städten entstünden durch die Anträge Aufwand und Kosten – und damit steige auch der Druck auf die kommunalen Arbeitgeber.