Die SPD-Karawane zieht weiter

PROVINZPOSSE Der eigene OB-Kandidat ratsmandatslos. Die Kölner SPD will dennoch im September mit ihm die Bürgermeisterwahl gewinnen. Ob das gelingt, ist zweifelhaft

Die Linkspartei sieht ihre Chance für ein rot-rot-grünes Bündnis gekommen

AUS KÖLN HELKE ELLERSIEK

In diesen Tagen muss sich die Kölner SPD von allen Seiten die Frage gefallen lassen, ob sie eigentlich Demokratie kann. Am Dienstag stellte sich heraus, dass im traditionell schwarzen Kölner Stadtteil Rodenkirchen bei der Kommunalwahl vor einem Jahr nicht etwa die Sozialdemokraten die CDU ausgestochen hatten. Nein, ein Fehler bei der Stimmenauszählung war für den vermeintlichen Sieg der Genossen und damit ihre knappe rot-grüne Ratsmehrheit verantwortlich. Die Stimmen waren einfach vertauscht worden. Die Folge: Der SPD-Kandidat für den Posten des Kölner Oberbürgermeisters, Jochen Ott, fliegt vier Monate vor der Wahl aus dem Rat, das rot-grüne Bündnis hat seine 1-Stimmen-Mehrheit verloren, die SPD ist blamiert.

„Das Vertrauen der Bürger in die Demokratie hat durch die Vorgänge erheblichen Schaden genommen“, sagte Christian Möbius, stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU Köln. Er fordert die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen SPD-Stadtdirektor Guido Kahlen, der als Wahlleiter bereits zurückgetreten ist.

Es hat fast ein Jahr gedauert, bis die CDU zu ihrem Recht, das heißt einem weiteren Ratssitz, kam. Die SPD hatte sich gegen eine Neuauszählung bis zum Schluss erbittert gewehrt: Einen ersten entsprechenden Antrag der CDU lehnte sie gemeinsam mit Linkspartei und Grünen ab. Ein späterer Kompromiss der Grünen, alle Bezirke und damit 400.000 Stimmen erneut auszuzählen, stieß bei der SPD auf großes Unverständnis. Die Grünen stimmten trotzdem gemeinsam mit Schwarz-Gelb für die Komplettzählung. Seitdem gilt das Verhältnis zwischen den beiden Parteien als zerrüttet.

Nur die Linkspartei blieb treu an der Seite der SPD und kämpfte gegen eine Neuauszählung. Jörg Dietjen, Sprecher der Linksfraktion im Rat, rechtfertigt die Blockade: „Es brauchte damals mehr als statistische Hinweise auf einen Irrtum.“ Solch ein Hinweis war vor allem, dass bei den zeitgleich abgehaltenen Wahlen zum Europaparlament die Wähler genau andersherum votierten – nämlich mehrheitlich für die CDU.

Die Sozialdemokraten ignorieren nun die Kritik an ihrer Vorgehensweise und die Niederlage vom Dienstag einfach. Die SPD sei nun mitgliederstärkste Fraktion, die „Korrektur der zwischenzeitlichen Mandatsverschiebung zu Lasten der CDU“ habe keine wesentlichen Auswirkungen. Ott werde „seine Arbeit in den kommunalen Gremien im Wesentlichen unverändert fortsetzen“, teilte die SPD außerdem mit. So werde er nunmehr dem Ausschuss Umwelt und Grün als sachkundiger Bürger angehören. Die Wahlchancen Otts dürfte das nicht unbedingt verbessern.

„Das Problem haben nun die Sozialdemokraten“, sagte Kölns CDU-Chef Bernd Petelkau der taz. „Dass deren Oberbürgermeisterkandidat hinausgeflogen ist, ist auch eine entsprechende Ansage.“ Die CDU unterstützt zusammen mit den Grünen und der FDP die parteilose Sozialdezernentin Henriette Reker als OB-Kandidatin für die Wahl am 13. September.

Für den Abschluss des Kölner Haushalts, der im Juni ansteht, wollen SPD und Grüne zusammenarbeiten und müssen dafür jetzt einen Partner finden. Die SPD gibt sich dabei offen für breite Mehrheiten – eine Alternative, die die Grünen ablehnen. Währenddessen sieht die Linkspartei ihre Chance für ein rot-rot-grünes Bündnis gekommen.