Und er sah, dass es nicht gut war

UMWELTSCHUTZ Papst Franziskus legt sich mal wieder mit dem Kapitalismus an: In der bislang unautorisierten Enzyklika „Laudato si“ fordert er eine „ökologische Bekehrung“, mehr Rechte für die Armen und das Ende von Kohle, Öl und exzessivem Konsum

VON BERNHARD PÖTTER

BERLIN taz | Mit einer ökologischen Moralpredigt hat sich Papst Franziskus ein halbes Jahr vor der entscheidenden UN-Klimakonferenz von Paris in die internationale Debatte um Klimaschutz, Umweltpolitik, Entwicklungshilfe und globale Gerechtigkeit eingemischt. In einer vorab durchgesickerten Version des päpstlichen Lehrschreibens „Laudato si“ („Sei gelobt“) schlägt sich das Oberhaupt der katholischen Kirche mit teilweise drastischen Worten auf die Seite der Ökologen und der Armen und geißelt Umweltzerstörung und Konsum. Er verordnet seiner Kirche eine neue grüne Theologie, verlangt aber auch konkret: „Fossile Brennstoffe müssen ohne Zögern ersetzt werden.“

Franziskus nimmt in seinem 192-seitigen Schreiben, das bislang nur als unautorisierte italienische Fassung vorliegt, kein Blatt vor den Mund: Er beklagt die Zerstörung der Umwelt, die Belastung der Ozeane, Atmosphäre und den Verlust der Biodiversität. „Unsere Erde, unsere Heimat, wird zu einer Müllkippe“, schreibt er – und darunter litten die Armen am meisten. Das Papier wird am Donnerstag offiziell in Rom vorgestellt und war vorab von der italienischen Zeitung L’Espresso ins Internet gestellt worden. Der Vatikan hat dieses Vorgehen verurteilt und warnt, der Text sei nicht endgültig. Vatikan-Experten sehen darin einen Angriff konservativer Kreise: Dem Papst solle so die Deutungshoheit über den Text genommen werden.

Die Gegner einer effektiven Umweltpolitik haben dann auch Grund zur Sorge. Denn über weite Strecken liest sich die bisher bekannte Version von „Laudato si“ wie ein Öko-Manifest: Der Papst lobt die Gemeingüter von Wasser und Luft, er spricht von „ökologischen Schulden des Nordens gegenüber dem Süden“, er akzeptiert die Wissenschaft des Klimawandels, geißelt Konsumgesellschaft und Technikgläubigkeit und warnt vor der Gentechnik in der Landwirtschaft. Auf die vielen Versuche von Industrielobbies, das Schreiben abzuschwächen hat Franziskus mit einem trotzigen Text geantwortet. Ganz in der Tradition seines Namenspatrons, des heiligen Franziskus, aus dessen berühmten Gedicht „Sonnengesang“ der Titel „Laudato si“ stammt, beklagt der Papst etwa, durch das Artensterben würden „Tausende von Spezies nicht mehr Gott loben können“.

An dem Schreiben hat Franziskus seit knapp zwei Jahren gearbeitet. Er ließ sich von Naturwissenschaftlern, Theologen und Politikern aus der ganzen Welt beraten. Erst im April hatte er bei einer Konferenz in Rom zu dem Thema mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gesprochen. Umweltschutz ist für die Päpste seit 1970 ein Thema, bislang aber ein Nebenaspekt. Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI galt bereits als „grüner Papst“, weil er im Kirchenstaat die Mülltrennung einführte.

Das aktuelle Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken nennt aber nun die Dinge deutlicher als zuvor beim Namen und räumt auch mit einer Theologie auf, die seit Jahrhunderten predigt, der Mensch solle sich die Erde untertan machen. „Der Mensch als Dominator und Zerstörer, das ist keine korrekte Interpretation der Bibel“, schreibt Franziskus seinen Theologen ins Stammbuch. Weil sich in der Schöpfung „die Sprache der göttlichen Liebe zeigt“, seien alle Christen angehalten, die Erde zu bewahren. Für ihn geht es um eine „ökologische Erziehung und Spiritualität“.

Dann aber kann es Papst Franziskus auch wieder ganz handfest – wie schon in seinem Schreiben „Evangelii Gaudium“, das mit dem kapitalismuskritischen Zitat „Diese Wirtschaft tötet“ berühmt wurde. In „Laudato si“ schreibt er, das „Privateigentum ist nicht absolut und unantastbar“, im Gegenteil sei „die Unterordnung des Privateigentums unter das Gemeinwohl die goldene Regel“ des Zusammenlebens. Der Papst pocht auf die „Generationengerechtigkeit“, er fordert, „das globale Entwicklungsmodell muss sich ändern“, es müsse „einen neuen Lebensstil“ jenseits des exzessiven Konsums geben und eine „ökologische Bekehrung“. Politik und Industrie findet er gerade in der Klimapolitik zu langsam. Für solche Einschätzungen und die allgemeine Richtung des Textes gab es vorab und weltweit bereits viel Lob von Umweltverbänden.

Aber auch die Gegner machen mobil. Bereits zur päpstlichen Konferenz in Rom forderten die Klimaskeptiker des US-Thinktanks Heartland Institute, der Papst solle nicht auf die Wissenschaftler hören. Und der US-Senator James Inhofe, berüchtigt für seine Tiraden gegen die Klimawissenschaften, mahnte Franziskus, er solle „sich um seinen Job kümmern und wir kümmern uns um unseren“. Im September können Inhofe und Franziskus das persönlich klären: Der Papst besucht die USA und spricht dann zum Thema Klima vor der Vollversammlung der UNO in New York.