Dämmungsdämmerung

WohnenDämmung dient weniger der Umwelt als der Vertreibung der Mieter: In einer Studie zeigt der Mieterverein, dass das keine Behauptung ist, sondern tägliche Praxis

von Uwe Rada

Eigentlich sollen Dämmplatten an Hausfassaden gut für die Umwelt sein. Tatsächlich aber dienen sie vor allem Hauseigentümern und Vermietern zum Vorteil. Dies ergab eine Studie, die der Berliner Mieterverein am Dienstag vorgestellt hat. „Die Dämmung der Gebäudehüllen ist weiterhin ein Preistreiber“, sagt Mietervereins-Geschäftsführer Reiner Wild. Er sieht bei der Politik „erheblichen mietrechtlichen Handlungsbedarf“.

Die Studie ist das Ergebnis der Beratungstätigkeit des Mietervereins für seine 160.000 Mitglieder. Insgesamt wurden zwischen 2012 und 2016 200 Modernisierungsfälle ausgewertet. Dabei betrug der durchschnittliche Mietanstieg nach einer Modernisierung 2,44 Euro pro Quadratmeter. Die Nettokaltmiete stieg im Schnitt von 4,73 Euro auf 7,14 Euro pro Quadratmeter.

Schon diese Steigerungen sind für einen großen Teil der Mieterinnen und Mieter nur schwer oder gar nicht zu stemmen. Doch das ist nicht alles, hat der Mieterverein herausgefunden. „Die Heizkosten verringern sich trotz überwiegend energetischer Maßnahmen im Jahr nach der Modernisierung nicht“, heißt es. „Die Vermieter verlangen weiterhin die alten Vorauszahlungen, offenkundig, weil sie der vermuteten Energieeinsparung und damit auch der Heizkostenersparnis nicht trauen.“

Das dürfte Wasser auf die Mühlen all derer sein, die den ökologischen Nutzen der Wärmedämmung, vor allem bei Altbauten mit ihren dicken Mauern, schon lange in Zweifel ziehen. Vielmehr sei die Möglichkeit, 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umzulegen, so Reiner Wild gegenüber der Berliner Zeitung, „eine Art Brandbeschleuniger“ für die Vertreibung von Mieterinnen und Mietern.

Zwar spricht sich der Verein nicht grundsätzlich gegen eine Verringerung des CO2-Ausstoßes in Wohngebäuden aus. Er hat aber auch festgestellt, dass die Fördermittel, die der Bund für die ökologische Sanierung zur Verfügung stellt, nur in 11 der untersuchten 198 Fälle in Anspruch genommen wurden. Das Fazit des Mietervereins: „Auf angespannten Wohnungsmärkten nutzen Eigentümer keine Fördermittel zur Verringerung des Wohnkostenanstiegs, weil sie ­offenbar davon ausgehen können, auch teuer modernisierte Wohnungen vermieten oder gegebenenfalls verkaufen zu können.“

Der Mieterverein fordert deshalb den Bund auf, die Modernisierungsumlage von 11 auf 4 Prozent zu senken. Außerdem dürfe die ortsübliche Vergleichsmiete nach einer Modernisierung nur um höchstens 10 Prozent überschritten werden. Noch weiter geht die Linke in Friedrichshain-Kreuzberg. Sie fordert, die Umlage ganz abzuschaffen. Stattdessen soll die „Kaltmiete maximal um den Betrag steigen, um den die Heizkosten durch die Modernisierung tatsächlich sinken“.

Die höchsten Mieterhöhungen nach Modernisierung waren nach der Studie des Mietervereins aber nicht in Friedrichshain-Kreuzberg zu verzeichnen, sondern mehrheitlich in Prenzlauer Berg. In der Immanuelkirchstraße 35 stieg die Miete um 13,44 Euro pro Quadrat­meter.