Ernüchterung statt Hoffnung

Die Länder des Westbalkans sind von der EU enttäuscht. Brüssel fehlt ein klares Konzept für die Region

Von Erich Rathfelder, Sarajevo

Als die EU 2003 den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und Albanien versprach, sie könnten nach dem Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates Mitglieder der EU werden, führte dies zunächst in fast allen Staaten zu einem spürbaren Demokratisierungsschub. Die Bevölkerungen hofften auf „Europa“.

Doch das ist schon lange her. In allen Ländern Südosteuropas herrscht mittlerweile Ernüchterung über die EU. Auch bei denen, die schon dazugehören. Die damals propagierte Strategie, demokratische Kräfte zu unterstützen und zu helfen, die wirtschaftlichen Bedingungen zu verbessern, war wenig erfolgreich.

Der 2001 groß angekündigte „Stabilitätspakt für Südosteuropa“ hat kaum etwas gebracht und lediglich den Interessen internationaler Nichtregierungsorganisationen gedient. Von der vor 20 Jahren versprochenen infrastrukturellen Anbindung der Region an Zentraleuropa ist kaum etwas zu sehen. Die EU hat angesichts ihrer internen Konzeptionslosigkeit an Integrations- und Strahlkraft eingebüßt. Niemand in Südosteuropa überhört zudem die Stimmen in der EU, die vor einer neuen Erweiterungsrunde der Gemeinschaft warnen und die Integration der Westbalkanländer ablehnen.

Trotzig macht sich von Sarajevo bis Skopje die Stimmung breit, „wenn die uns nicht wollen, suchen wir andere Partner“. Ein politisches Vakuum ist entstanden. Russland, die Türkei und auch China versuchen in dieses Vakuum einzudringen und ihre politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen in Südosteuropa durchzusetzen. Wenn jetzt die EU-Kommission erneut Hoffnungen auf einen Beitritt der Westbalkanstaaten bis 2025 wecken will, ist dies wohl als eine Antwort auf die Offensive der genannten Mächte gemeint.

Doch das Terrain ist schwierig geworden. Sloweniens ist 2004 und Kroatien 2013 der EU beigetreten. In den anderen Staaten des Westbalkans – Serbien, Montenegro, Mazedonien, Albanien, Kosovo sowie Bosnien und Herzegowina – herrschen nationalistische, korrupte und scheindemokratische Regimes, die untereinander zerstritten sind. Große Teile der Zivilgesellschaft in diesen Ländern klagen darüber, dass die Gängelung von Medien und Justiz heute schlimmer sei als im Krieg in den 90er Jahren.

Die von der EU seit 2012 propagierte wirtschaftliche Zusammenarbeit der Westbalkanstaaten untereinander gerät durch die politischen Konflikte immer wieder ins Stocken. Die EU hat nach Ansicht vieler Kritiker keine Strategie, wie diese Konflikte überwunden werden könnten. So weigert sich Serbien, die staatliche Unabhängigkeit Kosovos anzuerkennen. Zwar hat die EU die Aufnahme Serbiens an die Lösung des Konflikts mit Kosovo geknüpft, doch bisher sind hierbei keine Erfolge zu verzeichnen.

Nach wie vor versuchen Serbien und Kroatien in Bosnien und Herzegowina Unfrieden zu stiften. Die EU hat es sogar aufgegeben, die Umsetzung eines Urteils des Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg von 2009 in Bezug auf eine Verfassungsreform in Bosnien und Herzegowina zu fordern.

Kürzlich drohte Kroatien, den EU-Beitritt von Bosnien und Herzegowina sowie von Serbien zu blockieren, wenn die beiden Staaten nicht einige kroatische Forderungen erfüllten – wie zum Beispiel eine Änderung des Wahlrechts in Bosnien und Herzegowina. Brüssel blieb stumm. Als im kroatischen Parlament Gedenkstunden für verurteilte Kriegsverbrecher abgehalten wurden, erfolgte ebenfalls keine Reaktion.