Bundestagsdebatte kostenloser ÖPNV: Verfahrene Situation im Parlament

Die Opposition fordert Taten, doch die Union will davon nichts wissen. Der Druck auf die Autoindustrie steigt, die Diesel-Nachrüstung zu finanzieren.

Ein Mensch steigt in einen Bus ein, neben der Tür klebt ein großer, gelber Aufkleber mit der Aufschrift „Tickets“

Ob es wohl noch was wird mit dem kostenlosen ÖPNV? Foto: dpa

BERLIN taz | Es waren merkwürdig vertauschte Rollen, als der Bundestag am Donnerstag über Konsequenzen aus dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts debattierte: Die Grünen brachten einen Antrag ein, der sich eins zu eins hinter die jüngsten Vorschläge der Bundesregierung stellte, wie Fahrverbote und Strafzahlungen an die EU noch vermieden werden können.

Dazu hatten die MinisterInnen Peter Altmaier (Kanzleramt, CDU), Barbara Hendricks (Umwelt, SPD) und Christian Schmidt (Verkehr, CSU) sich in einem Schreiben an die EU unter anderem für die Einführung von kostenlosem ÖPNV ausgesprochen. Dem sollten nun Taten folgen, forderten die Grünen in einem Antrag. Dieser sollte die Regierung auffordern, schnellstmöglich „zusammen mit den Ländern und Kommunen ein Konzept für kostenlosen ÖPNV als Mittel zur Senkung der Anzahl der Privat-Pkw voranzutreiben“.

Doch davon wollten vor allem die Redner der CDU/CSU-Fraktion nichts wissen. Ein generell kostenloser ÖPNV sei „nicht finanzierbar“ und könne auch „zu unerwünschten Effekten führen“, sagte Michael Donth. Er sei weder im gesamten Bundesgebiet noch in allen von hohen Stickoxidwerten betroffenen Städten sinnvoll, meinte auch Steffen Bilger. „Schließlich sind U- und S-Bahnen schon heute oft überfüllt.“

Unterstützung kam hingegen von der Linksfraktion. „Die Debatte über einen Nulltarif ist längst überfällig“, sagte Andreas Wagner. „Wir nehmen Sie beim Wort.“ Auch aus der SPD wurde die Idee vorsichtig verteidigt. „Bevor überhaupt vernünftig diskutiert worden ist, wird schon eine Absage erteilt“, sagte der Abgeordnete Sebastian Hartmann mit Blick auf die ablehnende Haltung der ausgewählten Kommunen bei einem Treffen am Montag. „Lassen Sie uns nicht immer alles zerreden!“

Druck auf die Autohersteller

Keine Einigkeit gab es im Parlament bei der Frage, ob die Autohersteller eine Nachrüstung der Dieselmotoren finanzieren müssen, mit der sich der Stickoxidausstoß deutlich verringern ließe. Für die Grünen steht das außer Frage. „Wenn die Autokonzerne Anstand hätten, würden sie die Umrüstung freiwillig bezahlen – und sie könnten sich das auch leisten“, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Weil das nicht der Fall sei, müsse die Regierung sie dazu zwingen. Ähnlich argumentierte Andreas Wagner für die Linke, und auch der SPD-Abgeordnete Mathias Stein forderte: „Die Hardware-Umrüstung muss kommen.“

Holger Schwannecke

„Der Verursacher dieser Geschichte muss letztlich dafür einstehen“

Das sieht auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks so. Schuld an den hohen Stickoxidwerten sei die Industrie, argumentierte Generalsekretär Holger Schwannecke. „Der Verursacher dieser Geschichte muss letztlich dafür einstehen.“ Der Chef des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Klaus Müller, sieht dabei die Politik in der Pflicht. „Der politische Druck auf die Autohersteller muss viel größer werden“, sagte er der Rheinischen Post. „Der Verbraucher darf hier nicht alleine auf den Kosten sitzen bleiben.“

Doch die Union blieb auch hier zurückhaltend. Einen „Feldzug gegen die Dieseltechnologie“ lehne man ab, erklärte Oliver Wittke. Keinen Handlungsbedarf sieht auch die AfD: Statt sich um die Einhaltung der EU-Grenzwerte zu bemühen, sollte sich Deutschland lieber dafür einsetzen, dass eine Anhebung dieser Werte geprüft werde, erklärte Wolfgang Wiehle.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.