Kolumne Globetrotter: „Alles könnte sehr viel einfacher sein“

Im Jemen ist seit 2014 Bürgerkrieg. Das Land wird von der Cholera heimgesucht und JemenitInnen dürfen weder in die USA noch in Marokko einreisen.

Ein Junge aus dem Jemen mit einem Gewehr über der Schulter. Hinter ihm stehen weitere Kämpfer der Huthi-Rebellen.

Ein Junge trägt auf einer Rekrutierungsversammlung für neue Kämpfer der Huthi-Rebellen in Sanaa ein Gewehr über der Schulter. Foto: dpa

Kürzlich habe ich in der Türkei einen alten Freund besucht. Er stammt aus dem Jemen. Das Land wird seit 2014 vom Bürgerkrieg und seit 2015 durch die von Saudi-Arabien geleitete internationale Militärintervention in Schutt und Asche gelegt.

Anfangs zog er, wie die meisten JemenitInnen, noch innerhalb des Landes von einer sicheren Gegend in die Nächste. Doch als vor zwei Jahren der komplette Privatsektor kollabierte, suchte er sich Arbeit in Istanbul, um seine Familie ernähren zu können, die er zuvor im elterlichen Dorf, hoch in den Bergen, in Sicherheit gebracht hatte. Mittlerweile aber hat sich die Lage im Jemen weiter verschärft und mein Freund versucht seit Monaten, seine Familie zu sich nach Istanbul zu holen.

Nach fünf Jahren sehe ich ihn also am Taksimplatz zum ersten Mal wieder und es fühlt sich an wie gestern. Trotz all der Sorgen, die ihn belasten, ist er immer noch der offene und witzige Mann, den ich in Berlin kennengelernt hatte. Bei türkischem Kaffee überrascht er mich gleich mit der besten Nachricht seit langem: Seine Familie ist endlich bei ihm!

Huthi-Rebellen und Cholera

Doch das war alles andere als einfach. Zunächst verlief die Route von den Bergen zum nächsten Flughafen durch eine Zone, in der sich Huthi-Rebellen und Regierung Gefechte lieferten. Als sich die Frontlinie endlich verschob, war der Weg zwar wieder frei, doch dann brach die Cholera aus und machte das Reisen unsicher. Dass die Krankheit, an der nun 900.000 JemenitInnen erkrankt sein sollen, früher oder später zu seiner Familie die Berge hochkriechen würde, beunruhigte ihn so sehr, dass er im letzten Sommer trotz aller Widrigkeiten die Prozeduren zur Nachreise einleitete.

Bei seiner eigenen Ausreise ging noch alles sehr rasch, erinnert er sich, während wir das Café verlassen und Richtung Galata­brücke durch überfüllte Straßen flanieren. „Damals bekam man als Jemenit sein Visum für die Türkei innerhalb von zwei Tagen“, fährt er fort. „Heute dauert es mindestens einen Monat, und selbst Länder, die wir früher frei bereisen durften, wie Ägypten oder Jordanien, verlangen nun eins.“

Marokko, früher dem Land freundschaftlich verbunden, vergibt an JemenitInnen heute schlicht gar keine Visa mehr. „Wir dürfen die Einreise nicht mal beantragen. Vielleicht wegen der EU“, überlegt er vor sich hin. „Keine Ahnung. In die USA dürfen wir seit Trump auch nicht mehr.“

Türkische Visa für die Familie

Alle wichtigen Botschaften sind in Nachbarländer gezogen. „Das heißt, du brauchst jetzt jemanden vor Ort, dem du deinen Pass schicken kannst und der sich um deine Angelegenheiten kümmert“, erklärt er. Auch er besorgte über Umwege die türkischen Visa für seine Familie in Saudi-Arabien.

„Schon absurd, aber es gibt noch ein weiteres Problem: In ganz Jemen ist nur noch ein Flughafen in Betrieb, der nur von unserer nationalen Fluggesellschaft beflogen wird, die gerade mal zwei Maschinen besitzt!“ Die Nachfrage ist natürlich enorm – ebenso wie es die in die Höhe geschossenen Preise sind. „Über 700 US-Dollar kostet mittlerweile ein Ticket“.

Von Khartum nach Istanbul

Auch Länder wie der Sudan, die noch relativ unkompliziert zu bereisen waren, verlangen seit letzter Woche plötzlich ein Visum von Jeminiten, die nicht aus dem Jemen einreisen. Und so ein Visum kostet Geld. Als er selbst vor zwei Monaten endlich seine Familie in Khartum abholte, um mit ihnen von dort nach Istanbul weiterzufliegen, brauchte er noch keins.

„Wir sind im Jemen wie eingesperrt, dabei könnte es alles sehr viel einfacher sein.“ Selbst die UNO verweist untätig immer nur auf den zerstörten Flughafen der Hauptstadt Sana’a, anstatt sich um die vier funktionalen Flughäfen zu kümmern, die sich, wie Aden, in Städten unter der Kontrolle der Regierung befinden.

„Mir gefällt es hier“, meint er, als wir an der Kreuzung der Kontinente angekommen und auf die Lichter der Stadt blicken. Aber natürlich wünsche er sich nichts sehnlicher, als mit seiner Familie in die Heimat zurückzukehren, sobald sie wieder einigermaßen stabil wird. „Auf Dauer ist Visa beantragen echt nicht mein Ding“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

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