Kolumne Macht: Penis, Penis, Penis

NSA. BND. Nun auch NSA & BND. Interessiert allerdings niemanden. Doch der Journalist John Oliver hat herausgefunden, wie man das ändern kann.

Wo ist die Grenze? Bild: dpa

Das größte Problem ist nicht der BND und seine offenbar illegalen Aktivitäten. Das größte Problem ist nicht der US-Geheimdienst NSA, der weltweit nur Feinde zu kennen scheint. Das größte Problem ist nicht einmal, dass sowohl die deutsche Bundeskanzlerin als auch ihr damaliger Amtschef, der heutige Innenminister, entweder lügen oder große Mühe darauf verwandt haben, nur ja nichts wissen zu wollen.

Das größte Problem ist, dass den meisten Leuten das alles ziemlich egal zu sein scheint. Gibt es Massendemonstrationen? Läuft das Internet heiß? Ist die allgemeine Empörung auch nur annährend vergleichbar mit dem Ärger über Verspätungen im Bahnverkehr? Ach, woher. Man hat ja nichts zu verbergen.

Jedenfalls behauptet das regelmäßig eine erstaunlich hohe Zahl derer, die im Zusammenhang mit Spitzelaffären nach ihren Reaktionen befragt werden. Alles, buchstäblich alles, was sie tun, dürfen ihre Nachbarn, ihre Kollegen und auch ihre Eltern oder Kinder erfahren. Es muss ein seltsames Leben sein, dass diese Leute führen.

Der fabelhafte John Oliver

Für Wirtschaftsspionage und die Ausspähung von Verbündeten interessiert sich ohnehin nur eine kleine Minderheit, und zwar sowohl in Deutschland als auch in den USA. Der fabelhafte John Oliver hat kürzlich den Whistleblower Edward Snowden in Moskau interviewt. Der Brite, der für das US-Fernsehen arbeitet, wird als Komiker bezeichnet, obwohl er vermutlich einer der besten Journalisten der Welt ist. Offenbar genügt inzwischen die Fähigkeit zur Ironie, damit alles, was jemand sagt, für einen Gag gehalten wird.

Als Kind hat unser Autor auf einem Massengrab Fußball gespielt. Erst viel später fand er das heraus. Seine persönliche Geschichte zu 70 Jahren Kriegsende lesen Sie in der taz.am wochenende vom 2./3. Mai 2015. Außerdem: Der Rammstein-Keyboarder Flake über seine sexuelle Zurückhaltung, Schlüsselbeinbrüche beim Crowdsurfen und Bandschlüpfer auf Tour. Und: Die größte Migrantengruppe Deutschlands sind die Polen. Warum wir sie übersehen. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

John Oliver hat jedoch keine Witze gerissen, sondern in den USA auf der Straße herumgefragt, wer eigentlich Edward Snowden kennt. Ergebnis: kaum jemand. Dann hat er sich mit der Frage beschäftigt, wen Abhöraffären aufregen und ob jemand wütend wird, wenn Organisationen wie das UN-Kinderhilfswerk Unicef ausgespäht werden. Ergebnis: Das stört auch nicht weiter. Und dann erkundigte er sich, was Leute davon halten, wenn private, erotische Fotos – beispielsweise Penisbilder – von staatlichen Stellen gesammelt und weiterverbreitet werden.

Hui, da war plötzlich Stimmung! Gar nichts halten die Leute davon, gar nichts. Das müsse beendet werden, sofort, jetzt, vorgestern. Aber – ob das nicht ohnehin Unfug sei? Das könne der Staat doch gar nicht. Oder?

Penisbilder verwirren Snowden

Doch, kann er. Wie Edward Snowden bestätigte. Der erklärte im Interview präzise, welche Ausspähprogramme jeweils was mit einem per Mail verschickten Penisbild anfangen könnten. Zusammengefasst: eine Menge.

Snowden reagierte übrigens anfangs verständlicherweise verwirrt, als John Oliver gar nicht mehr aufhören wollte, über Penisbilder zu reden. Bis ihm ein Licht aufging. Und er bedauerte, nie auf den Gedanken gekommen zu sein, seine Erkenntnisse in einen solchen, leicht fassbaren Kontext zu stellen.

Das ist in der Tat schade. Er hätte massenhaft Verbündete selbst in den Reihen derer gewonnen, die ihn jetzt am liebsten einkerkern oder gar hinrichten lassen wollen.

Aber noch ist es ja nicht zu spät. Und noch ist es auch nicht zu spät, der Öffentlichkeit klarzumachen, dass auch Wirtschaftsspionage keine lässliche Sünde ist, sondern sie konkret betrifft. Weil Arbeitsplätze bedroht sind und die Konjunktur schwächeln könnte, zum Beispiel. Aber das ist immer noch zu abstrakt. Wir brauchen eine zündende Idee, wie man der Bevölkerung klarmachen kann, worum es eigentlich geht. John Oliver, hätten Sie nicht Zeit und Lust, mal hierherzukommen?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.