Twitter und die öffentliche Meinung: Doch nicht ganz Mainstream

Das Online-Netzwerk Twitter und die öffentliche Meinung in den USA sind selten deckungsgleich, sagt das Pew Research Center. Verantwortlich seien junge User.

Twittert erfolgreich: Barack Obama. Bild: dpa

BERLIN taz | Resonanzmonster, Transparenzgarant, Meinungsmacher – Twitter hat viele Spitznamen. Im Frühjahr letzten Jahres pries Jack Dorsey, einer der Gründer des Mikrobloggingdienstes, beim Wirtschafts-Startalker Charlie Rose sein Unternehmen als optimales „Feedback- und Marktforschungswerkzeug“ für Unternehmen.

Die Welt ist nahe dran an allem, bekommt einen unverfälschten Blick auf die Realität in Krisenherden (siehe Arabischer Frühling) und – beispielsweise – in die Finanzkammern der Wall Street. All das dank Twitter. Besonders die US-Politik suhlt sich gerne in den Diskussionsmechanismen der globalen Kommunikationsplattform. Twitter als Spiegelbild der öffentlichen Meinung?

Nicht ganz, sagt das renommierte, in Washington D.C. ansässige Pew Research Center. Die Umfrageexperten haben ein Jahr lang die digitalen mit den klassischen Meinungsbildern abgeglichen. Hauptaugenmerk waren dabei die letztjährigen Kontrahenten ums Weiße Haus, Barack Obama und Mitt Romney, sowie wichtige politische Entscheidungen wie etwa die Homo-Ehe in Kalifornien. Das Fazit: Zeitweise seien Wahrnehmung und Urteile der User auf Twitter deutlich liberaler im Vergleich zur öffentlichen Meinung, dann allerdings auch wieder klar konservativer.

Besonders deutlich werden die Differenzen am Beispiel der Wiederwahl des Präsidenten: Während sich nur etwas mehr als Hälfte der befragten Öffentlichkeit auf Obamas neue Amtszeit freute, goutierten bei Twitter satte 77 Prozent dessen Wiederwahl. Auch nach dem ersten TV-Duell mit Romney („presidential debate“) kam der damals müde wirkende Commander in Chief deutlich besser weg als bei den traditionellen Umfragen.

Krasses Missverhältnis

59 Prozent der Twitterer fanden Obama besser, während der Herausforderer gerade mal 40 Prozent überzeugen konnte. Ein krasses Missverhältnis ergab sich im Vergleich dazu beim Blick auf die tradierte öffentliche Meinung: Dort hatte Romney mit 66 Prozent die Nase vorn.

Verhalten hingegen wurde auf Twitter die Rede zur zweiten Amtseinführung Obamas wahrgenommen – nur 13 Prozent bewerteten die „inaugural speech“ positiv. Wobei sich mit 65 Prozent die Mehrheit beim Kurznachrichtendienst neutral positionierte. Ähnlich erging es der Rede zur Lage der Nation im Januar 2012, die nur knapp über 20 Prozent BefürworterInnen fand. Beide Anlässe wurden in den üblichen Umfragen deutlich besser bewertet.

Einheit herrschte lediglich bei der Nominierung von Romneys „running mate“ Paul Ryan (nicht toll) und der positiven Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die von den Demokraten angestrengte staatliche Krankenversicherung (unentschieden).

Warum Twitter anders tickt, weiß das Pew Research Center auch: „Twitter-User sind nicht repräsentativ für die Öffentlichkeit (der USA, Anmerkung der Redaktion).“ Viele Nutzer seien deutlich jünger als bei den traditionellen Umfragen (50 Prozent derer, die posten sind laut einer Erhebung unter 30) und eher demokratisch ausgerichtet. Zumal auch das Publikum im Netz „breiter“ aufgestellt sei. Auch Nicht-Wahlberechtigte – unter 18 oder nicht in den Vereinigten Staaten wohnhaft – diskutieren munter mit, daher die Diskrepanzen.

Präsident mit digitalem Abonnenten-Heer

Eine Überraschung ist das alles freilich nicht. Obama war der erste Präsidentschaftskandidat und spätere Amtsinhaber, der nicht nur die Wirkung sozialer Netzwerke erkannte und weltweit nutzte, sondern er schaffte es auch seine digitalen Abonnenten nachhaltig zu mobilisieren.

Damit wurde eine ganze Generation ebenso neu wie schlagkräftig kommunikativ sozialisiert und hinter dem einem präsidialen Konterfei vereint. Verschiedene heterogene „Communities“ verschmolzen – bis zum heutigen Tag – zu einem beachtlichen Heer aus //twitter.com/BarackObama:27.919.586 Followern.

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