Widerstand gegen Dresdner Mahnmal: Kein Mitgefühl für Aleppo

Eine deutsch-syrische Skulptur vor der Frauenkirche wird wütend attackiert. Der Dresdner Oberbürgermeister braucht nun Polizeischutz.

Polizisten vor einer Skulptur

Die Skulptur von Manaf Halbouni soll eine Brücke zwischen Dresden und Aleppo schlagen Foto: dpa

DRESDEN taz | Dresden hat seine nächste Blamage weg. Wie schon zu den Einheitsfeiern am 3. Oktober gelang es am gleichen Platz vor der Frauenkirche einer Gruppe von etwa 150 vorwiegend älteren Männern, die Aufstellung eines Mahnmals massiv zu stören. Mit „Volksverräter“- und „Haut ab“-Rufen brüllten sie unter anderem die Ansprache von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) nieder.

Die Stadt hatte sich für das Monument des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni eingesetzt. Drei senkrecht aufgestellte Busse, wie sie die Bevölkerung von Aleppo zum Schutz vor Angriffen auch nutzte, sollen eine Woche vor dem Jahrestag der Zerstörung Dresdens 1945 an das gemeinsame Schicksal beider Städte erinnern.

Trotzig, aber auch ein wenig hilflos ragen die drei ausrangierten Busse auf einem Betonsockel in die Höhe. Das ist vor der idyllischen Kulisse von Neumarkt und Frauenkirche natürlich eine ästhetische Provokation. Aber genau so ist die Idee des Absolventen der Dresdner Kunsthochschule gemeint.

„Schön ist das Monument nicht“, räumte auch OB Hilbert ein. „Aber manchmal bedarf es ungewöhnlicher Mittel, um uns das Weltgeschehen vor Augen zu führen“, fügte er hinzu. Man solle sich noch einmal vorstellen, was die Notwendigkeit der Aufstellung einer solchen Barrikade im Notfall für Dresden bedeuten würde.

„Lügenpresse“-Rufe gegen Pfarrer

Das überforderte die Protestierer aber sichtlich, die von etwa 250 Mahnmal-Interessenten wiederum zum „Zuhören“ aufgefordert wurde. Sogar Frauenkirchenpfarrer Sebastian Feydt wurde mit „Lügenpresse“-Rufen niedergeschrien. Die wieder aufgebaute Frauenkirche begreife sich als Ort des Gesprächs, hatte er erklärt.

Christiane Schwarz, Leiterin des Kunsthauses Dresden, hielt die subjektive Reflexion und die „radikalen Empfindungen“ des Künstlers Halbouni ebenfalls für unverzichtbar „in Zeiten sich verengender Blickwinkel“. Als „moderne Freiheitsstatue“ hatte der 32-Jährige die monumentale Bus-Skulptur selber bezeichnet.

„Ein ungewöhnliches Mittel, um uns das Weltgeschehen vor Augen zu führen“

Doch für solches Denken und solidarisches Empfinden gibt es im Dresdner und sächsischen Konservatismus keinen Platz. Dass bei den Pegida-Resten von „Schwachsinn“ gesprochen wird, überrascht wenig. Auch die AfD kommentierte das Mahnmal. „Offenbar will man ganz bewusst die Dresdner düpieren, um damit die Pegida-Bewegung auf die Barrikaden zu bringen“, behauptet die kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Karin Wilke.

Hilbert bekommt wiederholt Morddrohungen

Für die AfD-Stadtratsfraktion widersprach Kulturpolitiker Gordon Engler Oberbürgermeister Hilbert. Der hatte insbesondere im Internet für eine Flut von Schmähungen gesorgt mit der Aussage: „Dresden war keine unschuldige Stadt, das wurde wissenschaftlich ausgewertet.“ Schuld sei immer persönlich, und eine Stadt dürfe nicht kollektiv als schuldig verurteilt werden, sagte der AfD-Mann.

Der OB wate „tief im links-grünen Schuld-Mythos“. Hilberts Äußerungen haben Folgen für ihn. Zum zweiten Mal in seiner eineinhalbjährigen Amtszeit steht er nach Mord- und Anschlagsdrohungen unter Polizeischutz.

Am Dienstag bot der Oberbürgermeister allen anonymen Bedrohern eine gesonderte Bürgersprechstunde an. Der Zerstörungs-Gedenktag am 13. Februar verspricht so für Dresden wieder größere Brisanz. Bereits für den kommenden Sonnabend ist ein Nazi-Aufmarsch mit bis zu tausend Teilnehmern angekündigt, dem sich vier Aufzüge entgegenstellen wollen.

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