Der Herr der Früchte

■ Die Bremer Firma Atlanta AG ist die Nummer Eins im europäischen Bananenhandel. Fruchthandel ist schon lange ein „globalisiertes“ Geschäft

Die Banane ist die Frucht des Monats, aber die Babaco ist die Frucht der Zukunft. So jedenfalls ist es auf der umfangreichen Homepage des großen Bremer Fruchtimporteurs Atlanta zu lesen.

Was ist die „Babaco“? Sie ähnelt einer Gurke von der äußeren Gestalt, wird 1,5 Kilo schwer, wächst an einem drei Meter hohen Strauch und schmeckt einzigartig nach einem saftigen Gemisch von Erdbeere, Ananas und Papaya. Konsumentenfreundlich kernlos ist sie zudem, vitaminreich und haltbar.

Aus den Andentälern Ecuadors ist die Frucht im Jahre 1973 nach Neuseeland exportiert worden und erwies sich dort als sehr anpassungsfähig. In den Obstbaugebieten Neuseelands findet sie ihr optimales Klima, aber auch in Italien wurde der Babaco-Strauch schon gepflanzt. Ob wir sie wie die Kiwi in unser Obstsortiment aufnehmen, darüber entscheiden eben Importeure wie die von der Bremer Atlanta AG, und die brauchen eine große Menge, denn wenn Europa beliefert wird, dann ganz Europa.

Für die Banane ist Atlanta seit Jahren die europäische Nummer eins. Die Atlanta-Gruppe betreibt an 23 Standorten 28 Betriebsstätten: von Reifereien über Vorverpackungsstationen für frisches Obst und frisches Gemüse, Klimaräumen für die produktgerechte Lagerung und Umschlagsflächen bis zu Betrieben, in denen Endverpa-ckung passiert. Hinter der schlicht gelben Banane, die fast reif in unsere Geschäfte kommt, steckt eine komplizierte logistische und technische Struktur.

Wie kaum ein anderes Unternehmen wird die Atlanta-Gruppe von einer Unternehmerpersönlichkeit bestimmt, dem Bremer Bernd-Artin Wessels (60). So sorgte jüngst die offizielle Atlanta-Pressemitteilung für Aufsehen, dass aufgrund von „Forderungen aus dem Gesellschafterkreis“ ein neues Mitglied in den Vorstand der Atlanta berufen wurde und dass fast 100 Prozent des Kapitals der Gruppe praktisch in außereuropäischer, vor allem US-amerikanischer Hand liegen. Für Wessels, der nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Pressearbeit der Atlanta-AG leitet, ist die Aufregung über diese Mitteilung unverständlich. Denn „die Gesellschafterkreise“, die den 38-jährigen Kim Roether im Vorstand haben wollten, das ist er selbst. „Ich konnte doch nicht schreiben: Auf meinen Wunsch“, entschuldigt er sich für die Formel mit den „Gesellschaftern“. Die Atlanta AG gehört der Scipio-GmbH und die repräsentiert nur einer – Wessels. Über einen kompliziert verschachtelten Unternehmens-Überbau sind die Besitzanteile an dem Fruchthandels-Unternehmen letztlich bei amerikanischen Aktionären gestreut. „Ich kenne die zum Teil gar nicht“, behauptet Wessels. Einmischen wollen die Besitzer der Aktien sich offenbar nicht und vertrauen ganz dem Bremer Unternehmer mit seiner Devise: „Verluste kann ich nicht leiden.“

Verkauft hat Wessels die eigenen Aktienanteile an seiner Firma schon vor Jahren. „Als ich 50 wurde, wollte ich mich zum ersten Mal zurückziehen“, bekennt er. 1996, als er 55 wurde, machte er einen zweiten Versuch. Vielleicht war hin und wieder die Versuchung im Spiel, sich in der Politik einzumischen. Aber die Partei, die einen eigenwilligen Kopf wie Wessels verträgt, muss noch gegründet werden. Er wollte „mehr Freizeit“ haben, sagt er rückblickend, sich um seine Immobilien kümmern und weniger um die hektischen Konjunkturen der Frucht. Bis heute ist ihm das nicht gelungen. Insbesondere der Versuch der EU, sich in den Bananenmarkt einzumischen zu Gunsten der Bananen-Ernte der armen „AKP“-Staaten, hat Wessels immer wieder in Kampfhaltung gebracht.

Zurückziehen will sich Wessels nur aus dem Ost-Geschäft mit den frischen Früchten. Das hängt mit seiner Devise über die Verluste zusammen. „Da fehlt die Transparenz“, sagt er, jedenfalls in Polen und Tschechien. Was ist Transparenz beim Bananenhandel? „Wir verdienen da kein Geld.“ Wegen fehlender Transparenz? Auf die dritte Nachfrage redet Wessels Klartext: „Erhebliche Ausfälle“ gebe es, und „es ist schwer, da die Ehrlichkeit überall nachvollziehen zu können.“ Die meisten Firmen hätten solche Probleme, sagt Wessels. In Rumänien sei das erstaunlicherweise anders, da werde gezahlt, wenn geliefert worden ist.

So werden die osteuropäischen Länder den einzigartigen Geschmack der Babaco erst genießen können, wenn es für Unternehmer wie Wessels hinreichend „Transparenz“ bei der Lieferung gibt und also keine Sorge, Verluste zu machen. K.W

Internet: www.atlanta.de